Reisebericht Posen (Poznań) Polen 2020

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Die Stadt an der Warthe ist gerade einmal 300 Kilometer von Berlin aus entfernt und die Anreise mit der Bahn via Berlin-Hauptbahnhof war kurz und schmerzlos. Knapp 600000 Einwohner zählt die Stadt in der Woiwodschaft Großpolen, war bereits Anwärter zur Kulturhauptstadt 2016. Jedoch machte die inländische Konkurrenz, die Stadt Breslau, letztendlich das Rennen. Überhaupt ist Posen eine Stadt, die anderen Städten in Polen (Danzig, Krakau, Breslau) in Sachen Besucher immer etwas unterlegen ist. Dabei ist aus der 5. größten Ansiedlung Polens eine internationale und moderne Stadt geworden, inmitten eines historischen Kerns mit vielen deutschen Wurzeln. Posen ist heute die „Design“ Metropole und verfügt über zwei Hochschulen für diesen Studiengang. Posen ist damit eine auch eine angesagte und beliebte Studentenstadt, die international einen guten Ruf genießt.

Der Winter ist sicherlich nicht die beste Zeit, eine Stadt zu erkunden. Kälte und Tageslicht sind nicht sonderlich zum Vorteil. Allerdings bietet diese Zeit auch mehr Platz, denn weniger Menschen sind unterwegs. Neben der schön herausgeputzten Innenstadt von Posen (größtenteils mit EU Geldern finanziert), lassen sich aber noch viele andere Dinge, fernab der Reiseführer erkunden. Posen war übrigens die erste Hauptstadt Polens und auch der Ort, in dem Polen sich zum ersten Mal zum Christentum bekannte. Damit startete also die Geschichte Polens direkt in dieser Stadt. Der Handelsplatz im Herzen der Stadt war nach dem Zweiten Weltkrieg völlig zerstört.

posenTouristenmagnet Rathaus Posen.

Heute zeigen sich am restaurierten Rathaus jeden Mittag zwei Ziegen, die der Legende nach einst in den Rathausturm flüchteten, um nicht verzehrt zu werden. Das Schloss Posen wurde 1910 für den deutschen Kaiser Wilhelm II. gebaut. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Posen aber wieder polnisch. Im Zweiten Weltkrieg dann übernahmen wiederum die Deutschen die Herrschaft über Polen und damit hatten sie erneut Zugriff auf das Schloss. Hitler ließ das Schloss als seine Residenz umbauen. Ob er aber jemals hier war?

posen2Aus alt mach neu - Posen befindet sich immer noch im Wiederaufbau.

Doch genug von den Geschichten über Posen, die man auch in jedem Reiseführer finden kann. Zeit, sich etwas abseits des Hauptstromes zu bewegen. Die Fortbewegung in Posen geht übrigens gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dafür empfiehlt sich der Erwerb der Posznan-Card. 3 Tage kostenlos den ÖPNV nutzen, dazu freier Eintritt in den meisten Museen etc. Das Ganze gibt es für knapp 20 Euro (wahlweise auch nur für einen oder zwei Tagen entsprechend günstiger). Und los geht es raus aus dem Touristenzentrum Richtung neuen Zoo im Südosten der Stadt. Hier ist nicht nur der Zoo interessant, auch was drumherum zu finden ist. Direkt neben dem neuen Zoo liegt der Jezioro Maltańskie See, ein Anfang 1950er Jahre künstlich angelegter Stausee.

posen4Sport- und Freizeitpark Malta

An dem See befinden sich etliche Sportanlagen, unter anderen eine ganzjährige Rodelbahn und ein künstlicher Skihang. Auf dem See werden regelmäßig Ruderwettbewerbe ausgetragen. Nördlich des Ufers verkehrt in den Sommertagen die Schmalspurbahn "Maltanka" mit einer Lok aus den Berliner Borsigwerken direkt zum Eingang des neuen Zoos. Im Zoo stehen die Überreste von Fort III. Westlich des neuen Zoos lassen sich bei einem kurzen Spaziergang die Ruiny ogrodnictwa Mielochów, das Infantry shelter J2 IIa, Shelter U7 IIa und schlussendlich das Mauzoleum Mielochów erreichen.

posen3Das Mauzoleum Mielochów befindet sich in einem traurigen Zustand.

Die ehemalige Festung von Posen wurde im 19. und frühen 20. Jahrhundert errichtet und war in dieser Zeit das drittgrößte Festungssystem dieser Art in Europa. Die Festung Posen war 1945 in der Schlacht um Posen schwer umkämpft. Heute sind die Überreste der Festung Posen teilweise in einem bedauernswerten Zustand und befinden sich stückweise im Stadtbild verteilt. Weitere Überreste sind im Norden im Park Cytadela zu finden. Diese sind gut erhalten und beherbergen heute Militärmuseen. Die dortige Festung wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört. In den 1960er Jahren wurde auf dem Gelände ein Park angelegt, der sich bis heute in der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut. Wirklich lohnenswert, die Besichtigung der übrig gebliebenen Befestigungsanlagen allerdings nicht. Teilweise zu weit weg und zu unspektakulär.

posen6Shelter U7 IIa.

Im Stadtbild Posens finden sich wieder Kontraste, die entgegen den modernen Gebäuden und den schicken, frisierten Altbauten stehen. Sogenannte „Lost Places“. Das beste Beispiel ist das Stadion Edmunda Szyca, südlich der mega Shopping-Mall Stary Brower. Ich habe ja schon viele Lost Places besucht, das Stadion Edmunda Szyca aber ist eines der schrägsten und unheimlichsten. Das Stadion wurde 1929 erbaut, wurde kurz nach seiner Eröffnung aus Sicherheitsmängeln fast 10 Jahre stillgelegt. Als die Deutschen Posen besetzten, wurde das Sportgelände zweckentfremdet. Um den Wiederstand gegen die Deutschen in der Bevölkerung zu brechen, wurden Menschen in der Sportstätte öffentlich aufgehängt. Nach dem Krieg wurde das Stadion umgebaut und fasste angeblich 60.000 Zuschauer. Seit 1989 ist das Stadion Geschichte. Heute sind Tribüne und Holzbänke längst verfault bzw. geklaut und abgetragen und die Natur hat sich das Gebiet zurückerobert. In den übrig gebliebenen zum Stadion gehörenden Kassenhäusern, Umkleiden und Katakomben wohnen jetzt Obdachlose. Das ganze Gelände ist völlig vermüllt.

posen5Das Geisterstadion in Posen - Edmunda Szyca.

Jede Reise geht einmal zu Ende und auch diesmal vergingen die 2,5 Tage schnell. Leider konnten nicht alle Pläne umgesetzt werden. Das anhaltende, extrem schlechte Wetter und die damit verbundene Dunkelheit ließen das nicht zu.

Fazit: Posen ist auf jeden Fall einen Besuch wert und bedauerlicherweise bis heute ziemlich unterschätzt. Zugegeben, mit Krakau und Breslau kann Posen nicht wirklich mithalten. Es ist noch heute deutlich zu erkennen, wie sehr der 2. Weltkrieg der Stadt zugesetzt hat. Dann kamen die Sowjets und aus Polen wurde eine kommunistische Volksrepublik. Dessen Architektur ist auch nach 30 Jahren auch in Posen gut zu erkennen, auch wenn viele Gebäude neu entstanden sind oder alte renoviert wurden. Bis auf das kleine Stück Altstadt und den vereinzelten Gebäuden aus der Gründerzeit herrscht in Posen ein architektonisches Durcheinander. Viele schöne Gebäude stehen heute immer noch leer und müssen mit Netzen umhüllt werden, damit abfaulende, herunterstürzende Teile keine Gefahr für Leib und Leben werden. Die Innenstadt wird durch die vielen Straßenbahnlinien verstopft. Teilweise überqueren Straßen stark frequentierte Fußgängerzonen. Durch die Stadt ziehen sich viele gute Restaurants und Bars. Das Preisniveau ist (noch) recht gut. Es lohnt sich, die Stadt zu entdecken.

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Hendrik Lorenz

*1970 in Braunschweig.
Technischer Redakteur, Offsetdrucker und professionelles Arschloch.

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Kommentare

Hendrik gefällt ein Kommentar bei Impressum
God Tonya, come over email!!!! postamt@hendrik-lorenz.de
In einem Artikel
Tonya hayslett gefällt ein Kommentar bei Impressum
Hey hendrik it's me Tonya took me a while but got a phone to find you
Mansour gefällt ein Kommentar bei Kotte & Zeller - Eine unendliche Bestellung
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