Ein Tag im besten Deutschland aller Zeiten

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    Der Spruch „mit Deutschland geht’s bergab“ ist schon sehr alt. Es gibt wahrscheinlich niemanden, der ihn von irgendwelchen (meist älteren) Verwandten oder Freunden, noch nicht gehört hat. Meistens wurde diese Aussage dann unter der Vermutung des Altersstarrsinn lächelnd abgewunken. Was meistens dann auch daran lag, dass der Abwinkende nicht über die gleiche Lebenserfahrung wie des Aussagenden verfügte. Nun, das Leben ist immer ein Auf und Ab und auch in einem Land gibt es deshalb auch mal gute, sehr gute oder eben auch schlechte Zeiten. Deutschland hatte sicherlich seine besten Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1960er und 1070er Jahren. Danach hat sich viel verändert. Arbeitsplätze fielen dem Computer und der Automation zum Opfer. Der Fall der Mauer kostete weitere Arbeitsplätze und Unsummen an Investitionsgelder für die Sanierung eines komplett heruntergewirtschafteten Landes. Die 1990er Jahren verliefen dann relativ unauffällig, bis dann zur Jahrtausendwende doch in allen Bereichen eine spürbare (leider negative) Veränderung eintrat. Wirtschaftlich wie auch gesellschaftlich. Schon vor 25 Jahren spulte die Regierung die Leier des angeblichen Fachkräftemangels herunter. Anfang der 2000er Jahre waren qualifizierte Hochschulabgänger auf dem Arbeitsmarkt, aber diese fanden noch nicht einmal einen Job als Würstchenverkäufer. Fachkräftemangel? Ah ja. Wer Fachkräfte will, muss diese eben auch entsprechend bezahlen, aber das ist wiederum eine andere Geschichte. Und gesellschaftlich? In allen Bereichen in Deutschland wurde es „bunter“, aber leider nicht besser. Jetzt schreiben wir das Jahr 2023 und die Kacke ist ganz offensichtlich, und für jeden klar ersichtlich, am Dampfen. Die Wirtschaft wandert ab, die Generation der „null Leistung“ ist am Zug. Der Sport liefert dabei das beste Beispiel: Fußball-WM zum zweiten Mal Vorrunden aus hintereinander bei den Männern. Die Frauen ziehen entsprechend nach. Deutsche Leichtathleten ohne WM-Medaille und so weiter. Aber auch ich als „Otto Normalverbraucher“ spüre die Veränderung. In U-Bahnen oder S-Bahnen erklingen alle Sprachen, nur nicht mehr die Deutsche. In vielen Stadtteilen von Großstädten ist die indigene Bevölkerung allenfalls nur noch ein Fremdkörper. Und sonst so? Ein Tag in Deutschland. Ich gehe aus der Wohnung und stelle fest, dass nur ein Aufzug von zwei Aufzügen in meinem Wohnhaus funktioniert. Die Folge: Lange Wartezeiten, da der eine Aufzug entsprechend frequentiert. An der Tankstelle gegenüber möchte ich mir etwas kaufen, aber die elektronische Zahlung ist mal wieder ausgefallen. Im Bus möchte ich mir eine Fahrkarte für die BVG kaufen. Alle drei meiner Karten werden im Bus trotz Deckung abgelehnt. In der U-Bahnstation funktioniert nur ein Fahrkartenautomat, der aber wiederum nur Bargeld akzeptiert. Das Fahrgastinformationssystem zeigt mir an, dass die nächsten zwei Züge ausfallen. Es funktionieren nur zwei Fahrgastinformationssysteme von drei Fahrgastinformationssystemen. Das WLAN der BVG ist in der Station Wittenau so langsam, dass ich 10 Minuten brauche, um überhaupt in das Netzwerk zu gelangen. Vor Reiseantritt hätte ich mir gerne noch etwas Bargeld am Bankautomaten gezogen. Leider wurden in den letzten Jahren fast alle Filialen der Comdirect Cash Group in Wittenau und im Märkischen Viertel geschlossen. Übrig blieben nur noch die Postfiliale am Wilhelmsruher Damm (ab 18 Uhr geschlossen) und der Geldautomat der Deutschen Post im Märkischen Zentrum. Beide Automaten waren mal wieder leer. Für eine bevorstehende Reise brauche ich einen neuen Reisepass. Beim Bürgeramt Online kein Termin die nächsten 4 Monate in der ganzen Stadt buchbar. Gleiches gilt für einen neuen Termin beim Facharzt: nächster Platz für einen Kassenpatienten nur mit 6 Monate Wartezeit. Ein wenig entspannen im nördlichsten Mittelgebirge der Republik ist immer eine feine Sache. Wegen 2-jähriger Bauarbeiten verlängert sich die Fahrtzeit um 100% – natürlich für den gleichen Fahrpreis. Ich könnte diese Liste der Peinlichkeiten und Totalausfällen in Deutschland ewig fortführen.

    Fazit: Eigentlich funktioniert in der deutschen Republik nicht mehr viel, bis hin zu gar nichts. Besonders deutlich wird das bei Reisen in andere europäische Länder, die vermeintlich als „rückständiger“ angesehen werden. So können in baltischen Staaten Wahlen und Abstimmungen digital durchgeführt werden, in Estland steht jedem Bürger Internet kostenlos zur Verfügung und 5G gibt es schon lange in einem Entwicklungsland wie Kenia. Deutschland hat fertig, doch niemand scheint es zu realisieren. Weiter so bis zur Selbstauflösung.

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    Hendrik Lorenz

    *1970 in Braunschweig.
    Technischer Redakteur, Offsetdrucker und professionelles Arschloch.

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    Kommentare

    Mansour gefällt ein Kommentar bei Kotte & Zeller - Eine unendliche Bestellung
    Interessant ist, dass dieser Bericht bereits 10 Jahre her ist, und an der Informationspolitik hat si...
    In einem Artikel
    Ich war letzte Woche, Anfang Juni, dort Übernachten. Ziemlich unruhig dort. Kann man nur am WE besuc...
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    Das ist doch schrecklich.kann man da garnichts machen.ich gucke direkt auf das hotel und möchte mir ...
    Bernhard gefällt ein Kommentar bei Gefangen im eigenen Land
    Zum Thema Übersterblichkeit kann man sich hier selber ein Bild machen: https://www.destatis.de/DE/Th...

    Kenia

    Natur, Tiere und Strand.

    Der afrikanische Kontinent besitzt viele Länder mit den unterschiedlichsten Kulturen und der faszinierendsten Flora und Fauna. Jedoch sind nicht alle Länder so einfach touristisch zu erkunden wie Kenia.

    Goslar

    Wo die Welt noch in Ordnung ist.

    Wer im Braunschweiger Raum aufgewachsen ist, dem dürfte die Gegend um die mittelalterliche Stadt Goslar wohl bekannt sein. Zu DDR-Zeiten war der Westharz, der sich direkt hinter der Kaiserpfalzstadt emporhebt, immer eine beliebte Anlaufstelle. Nach der Wende brach der Tourismus ein und nimmt nun wieder langsam Fahrt auf.

    Mauritius

    Insel der vielen Enttäuschungen.

    Wer von der Insel Mauritius hört, denkt zuerst an kilometerweite weiße Sandstrände, Palmen und exotische Tiere. Einige Dinge treffen sogar zu, aber viele Dinge sind in Wahrheit doch völlig anders. Mauritius ist vor allen Dingen immer noch eines: Afrika.

    Unternehmungen

    • Devils Town

      Wenn die Städte Serbiens noch ein wenig trist und Post-Kommunistisch anmuten, so ändert sich das sofort, nachdem die Stadtgrenze erreicht ist und die Provinz begint. Eine komplett unberührte, unerschlossene und faszinierende Natur.
    • Lake Naivasha

      Touristenfrei, ich bin dabei. Weit weg vom du-ich-ficki Trubel an der Küste ist ein schöner See zu finden. Mitten in der Pampa tummeln sich Marabu, Pelikane, Ibisse und natürlich Flusspferde.
    • Kurische Nehrung

      Die fast 100 Kilometer lange Halbinsel teilen sich Russland und Litauen. Vieles erinnert an eine Nordseeinsel und vieles erinnert auch an die deutsche Vergangenheit dieses Ostsee Archipel.
    • Shimba Hills

      Nicht zu vergleichen mit einen der vielen Nationalparks, das Naturschutzgebiet Schimba Hills hat aber trotzdem viel zu bieten.
    • Der Invalidenfriedhof

      Der Invalidenfriedhof

      Der Invalidenfriedhof in Berlin befindet sich mitten in der Stadt am Mauerweg. Beim Durchqueren wissen die meisten gar nicht, das sie am Grab eines der größten Kriegsverbrecher vorbeilaufen.
    • Brooklyn Brewery

      Eine der 4000 aktiven Brauereien in den USA ist die Brooklyn Brewery in Williamsburg. Das Unternehmen bietet eine gute Brauereiführung an, die aber ein wenig zu sehr auf die Kohle der Besucher abzielt.

      Kuba

      Karibischer Kommunismus.

      Seit den 1960er-Jahren hat sich nicht viel auf der Insel Kuba geändert. Es geht nur stückweise voran. Immerhin gibt es Ende der 2010er-Jahren schon Internet, wenn auch nur auf Zeit begrenzt.

      Dominikanische Republik

      Der karibische Traum.

      Die Dominikanische Republik hat nicht den besten Ruf, gilt sie doch eher als Party- und ficki-ficki Hochburg betagter älterer weißer Herren. Doch die Halbinsel Samana wird diesen Ruf nicht gerecht.

      Russland

      Der letzte Abenteuerurlaub.

      Russland ist für viele auch heute noch keine Reise wert. Ich wagte den Schritt und tauchte ein in eine wunderbare Welt mit super Menschen.

      Städtereisen

      • New York City

        Mit dem Glück des Glücklichen noch schnell mit einen Direktflug von Berlin nach New York City - Kurz danach war AirBerlin pleite. Die Stadt, die einen an jeder Ecke an einem Film erinnert. Es lohnt sich.
      • Riga/Kuldiga

        Der baltische Staat ist heute schon lange kein Geheimtipp mehr. Allerdings ist Tourismus ausschließlich auf Riga konzentriert. Interessant wird es aber erst außerhalb der Metropolen Lettlands.
      • Prag

        Seit 30 Jahren erlebt die Stadt Prag jetzt einen ungebrochenen Touristenansturm aus aller Welt. Wird die richtige Jahreszeit gewählt, lässt sich die Stadt aber sehr entspannt erkunden.
      • Bukarest

        Die siebtgrößte Stadt der Europäischen Union ist Bukarest. Die Stadt im südlichen Rumänien besticht durch seine postkommunistische Architektur und seinen noch günstigen Lebenskosten.
      • Niš

        Niš

        Im südlichen Serbien, quasi zwischen Sofia und dem Kosovo, liegt die Stadt Niš. Trotzdem die meisten noch nie etwas von dieser Stadt gehört haben, hat sie besonders im Umfeld sehr viel zu bieten.
      • Krakau

        Eine der interessantesten Städte Polens ist Krakau. Tief im Osten hat die Stadt sehr viel Geschichte zu bieten. Auf den Spuren von Oskar Schindler.