Jetzt ist es doch tatsächlich schon ein halbes Jahrzehnt her, dass ich das letzte Mal die lettische Hauptstadt besucht habe. Woran lag es? Sicher an den letzten turbulenten Jahren, aber auch an den stark angezogenen Flugpreisen Richtung Riga. AirBaltic ist leider auch nicht mehr das, was es einmal war. Dafür, dass Air Baltic kein Low-Cost Carrier ist, tritt dieses Unternehmen mittlerweile so auf. Für jeden kleinen Furz muss abgedrückt werden. Das, was für andere Fluggesellschaften Service ist, zieht Air Baltic bei seinen Fluggästen ab. Wer sich zum Beispiel keinen Online Check-in unterziehen will, wird beim Ausdrucken der Bordkarte am Schalter mit 30 Euro (!!!) zur Kasse gebeten. Ein Sitzplatzwechsel kostet 7 Euro und die Preise für Speis und Trank an Bord kommen der Abzocke gleich. Also Spaß macht die Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen nicht mehr. Doch zurück zum Thema, dem seit 2004 zur EU gehörenden Staat Lettland. Von den knapp 2 Millionen Einwohnern Lettlands, sind fast die Hälfte in Riga ansässig. Es dreht sich in diesem Land sozusagen alles nur um eine Stadt. Zum Glück wurde auch in Lettland vor zwei Jahren der Euro eingeführt, sodass das lästige Umtauschen in Lats wegfällt. Ein Preisanstieg nach Einführung des Euros war auch nicht festzustellen. Eher im Gegenteil. Die Hotels sind weiterhin sehr preisgünstig und auch kulinarisches erschien mir um einiges günstiger als beim letzten Besuch. Gebucht wurde das am südlichen Ende der Altstadt gelegene Wellton Centrum Hotel & Spa.
Keine schlechte Unterkunft, aber doch recht ungünstig gelegen. Bedacht hatte ich nicht den Trubel nachts in der Altstadt. Der hat enorm zugenommen und Riga hat mittlerweile ganz offensichtlich der Sauftourismus fest im Griff. Schlafen war leider nur bei geschlossenem Fenster möglich. Bis früh in den Morgen grölende Proleten. Überhaupt, die Kneipendichte Rigas hat deutlich zugenommen. Doch das war ja nicht das Ziel der Reise, auch nicht zum wiederholten Male der Touristennepp in der Altstadt.
Die Anreise erfolgte am Karfreitag recht spät, aber zumindest pünktlich. Mit dem Bus 22 (alternativ Minibus 222) ging es für 2 Euro in die Innenstadt. Werden die Fahrkarten vor Fahrantritt erworben, kostet eine Fahrt sogar nur 1,15 Euro. Zu kaufen gibt es Fahrkarten an den vielen Narversen Kioske, die großflächig über die Stadt verteilt sind. Lästig: Die Uhr um eine Stunde vorstellen. Um 23 Uhr war dann nicht mehr viel zu unternehmen. Am Samstag sollte es aufs Land gehen – zuerst allerdings wieder ein kleiner Blick hinter den Kulissen des Touristenzentrums von Riga. Hier hat sich leider nicht viel getan. Viel Substanz, aber wohl keine Investoren. Vielleicht auch zu viel verlangt, stand Lettland doch vor einigen Jahren vor der Pleite.
Dann ging es los mit dem Auto Richtung Westen. Kurz nach Jurmala wurde die Umgebung immer trostloser. Untermauert wurde der Eindruck auch noch durch das extrem trübe und düstere Wetter. Vorbei an Ruinen, heruntergekommenen oder verlassenen Orten. Die Landstraße teilweise holprig, aber kaum frequentiert. Fast zwei Stunden dauerte die Fahrt bis nach Kuldīga. Dort lockerte das Wetter etwas auf, aber es blieb kalt. Über die längste mit dem Auto befahrbare Backsteinbrücke Europas, unter der die Stromschnellen der Venta fließt, führte der Weg direkt in das Historische kleine Zentrum. Doch auch hier das gleiche Bild: Viel Potenzial an Gebäuden, aber nicht alle restauriert. So steht Verfall neben Schönheit. Der historische Stadtkern Kuldīgas lässt sich bequem zu Fuß erkunden.
Für mich positiv: kaum Touristen. Allenfalls ein paar Letten angelten an der Venta oder machten einen Ausflug mit Restaurantbesuch. Das kleine Zentrum mit seinen Geschäften war an dem Samstag vor Ostern verwaist. Nach einem Rundgang durch den Ort und an den Stromschnellen der Venta, übrigens die breitesten Europas, ging es zur Stärkung in das Restaurant Goldingen Room. Steak und Schwein, 36 Euro für zwei Personen – ein toller Preis mit gutem Geschmack.
Hier kam allerdings das rustikale Benehmen der Osteuropäer zum Vorschein. Ich habe es bisher noch nie erlebt, dass ein Gast an einem Tisch, wo andere Gäste noch Essen, die vollgeschissene Windel seines Kleinkindes wechselt. Echt eklig dreist. Andere Länder – muss man wohl hinnehmen, aber nicht verstehen. Auch die Keramikabteilung ist mehr als gewöhnungsbedürftig. Eine Toilettenschüssel in einer Kammer für alle. Kostenloser Einblick beim Essen. Nach der zünftigen Nahrungsaufnahme erfolgte die Rückreise im Dunklen durch Dörfer, die als Kulisse für Horrorfilme dienen könnten. Nach Auskunft einiger Letten sieht das aber schon mittlerweile gut aus – im Vergleich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre.
Am folgenden Sonntag folgte die komplette Verwirrung. Erneut wurde die Uhr um eine Stunde vorgestellt – echt nervig. Da die Abreise am frühen Abend erfolgte, blieb leider nicht mehr viel Zeit. Hier und da noch etwas essen und schauen, dann zurück zum kleinen Flughafen Lidosta mit Minibus 222. Dieser ist allerdings nicht unbedingt zu empfehlen, da nur wenig Platz und kein Stauraum für Gepäck vorhanden. Das kann schnell unbequem werden. Dem Flughafen Riga ist mittlerweile das gestiegene Passagieraufkommen anzusehen. Zumindest die Abfertigungshalle ist nicht mehr so schön und ziemlich abgerockt. Nach der Sicherheitskontrolle ist der Flughafen Riga immer noch recht schick und vor allen Dingen preiswert. Das kann ja wahrhaftig nicht jeder Flughafen von sich behaupten. Bis zum Abflug ist es hier entspannt möglich, die Zeit zu verbringen.
Fazit: Das Wochenende in Lettland hat mir wieder sehr gut gefallen. Es war ziemlich interessant auch den Weg auf das Land gefunden zu haben. Super spannend, dort gibt es noch viel zu entdecken und es wird hoffentlich nicht mein letzter Ausflug in die lettische Provinz gewesen sein. Ich komme auf jeden Fall wieder und kann jedem einen Besuch – zumindest von Riga – wärmstens empfehlen.