Reisebericht Miami Beach Florida (Vereinigte Staaten) 1993

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Das erste Mal über den großen Teich – die Entscheidung fiel nicht sonderlich leicht, da der Dollarkurs im Sommer 1993 nicht gerade günstig war. Auch eine Reise in die USA war alles andere als günstig und da waren ja auch noch die vielen „Dead German Tourists“, die in Florida im Mietwagen Opfer von organisierten Überfällen wurden. Doch die Aussicht auf Sonne und türkises Meer in einer frisch renovierten Stadt waren zu verlockend. Ich entschied mich für eine Reise mit der Sportjugend Niedersachsen, mit der jeder bis Mitte 20 vereisen konnte. Im Nachhinein war das nicht unbedingt die richtige Entscheidung, aber dazu später.

Los ging es am Hauptbahnhof Braunschweig. Dort warteten am Treffpunkt schon einige Mitreisende aus der Region. Mit dem gerade einmal vor zwei Jahren eingeführten ICE ging es dann Richtung Frankfurt Flughafen. Unterwegs stiegen dann noch etliche in Hannover und Göttingen zu, bis die Gruppe von ca. 30 Leuten vollständig war. Begleitet und geführt wurde unsere Gruppe von zwei Personen, die hauptberuflich Polizisten waren. Am Frankfurter Flughafen stiegen wir dann in einen US-amerikanischen Charterflieger, eine alte McDonnell Douglas DC-10, dessen Pilot aussah, als käme er direkt aus der Bar. Zuvor musste ich mich zum ersten Mal beim Einchecken einer intensiven Befragung aussetzen. Wer hat die Koffer gepackt, warum sind so viele arabische Stempel im Pass und so weiter. Im Flugzeug gab es eine Karte zum auszufüllen, auf der allerhand lächerlicher Fragen standen, auf die mit Ja oder Nein geantwortet werden konnte. Während des Fluges hatte ich genug Möglichkeit, mich mit einigen Mitreisenden bekannt zu machen. Während des Fluges in der schon recht abgenutzten DC-10 ging ständig die Toilettentür auf und der Geruch von Scheiße zog durch die Kabine.

Nach einem nicht enden wollenden öden Flug war das Ziel Miami Beach erreicht. Beim Verlassen des Flughafens hatte ich das Gefühl, das mir jemand einen Eimer mit heißen Wasser über den Körper geschüttet hatte, so eine extreme Luftfeuchtigkeit herrschte in Miami Beach. Der klimatisierte Bus brachte uns dann erst einmal zum Howard Johnson Dezerland Hotel in der 87th Street (Abgerissen 2015). Das Hotel war ein im 50er Jahre Stil gehalten und in der Lobby stand ein fetter Straßenkreuzer umringt von Geschäften. Das sah alles sehr vielversprechend aus, doch es war nur Fassade. Zimmer und der Rest des Hotels hatten die besten Jahre schon hinter sich. Ekliger Teppich im gesamten Hotel, eine laute Klimaanlage und extrem weiche Matratzen. Im Flur überall Eiswürfel Automaten. Hier hatte sich seit den 70er Jahren nicht viel verändert. Ein Zimmer mussten wir uns zu dritt oder zu viert teilen. Ein Umstand, den ich auf Dauer als recht anstrengend empfand. Der Pool des Hotels war sehr schön, auch der Park gleich nebenan hatte seinen Reiz. Das Hotel hatte auch direkt Zugang zum wunderschönen Strand.

Gleich am ersten Tag wurde uns eine Stadtrundfahrt angeboten, die aber letztendlich viel zu teuer war. Trotzdem war die Stadtrundfahrt sehr amüsant, da sie von einem so extrem dicken Mann durchgeführt wurde, dass ich aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Diese extreme Übergewichtigkeit war aber fast an jeder Ecke von Miami Beach zu sehen. Der dicke Mann erzählte uns im perfekten Deutsch, dass hier viele Menschen so dick sind und wir uns von dem äußeren scheinbaren Reichtum nicht täuschen lassen sollen. Die meisten Menschen in Miami Beach würden nur auf Kredit leben. Es ging durch das Art Déco Virtel, Coral Groves und vorbei an dem Anwesen des Miami Vice Helden Phillip Michael Thomas. Letzteres hat mich dann nicht wirklich interessiert, aber okay. Nach dieser mehrstündigen anstrengenden Tour wollte ich eigentlich erst mal nur an den herrlichen Strand von Miami Beach liegen. Leider wurde seitens der Reiseleitung der Sportjugend Niedersachsen jeder dazu genötigt, immer wieder irgendwelche teuren und dummen Ausflüge zu buchen und sich dem Gruppenzwang zu unterwerfen. Ich hatte aber auf Disney Land, Orlando und den ganzen Scheiß einfach kein Bock. Das kam bei der Gruppenleitung gar nicht gut an, war mir aber egal, denn mit 23 Lebensjahren brauchte ich mich ja zum Glück von niemanden mehr bevormunden lassen. So kam es oft vor, dass die gesamte Truppe tagelang aus dem Hotel war und ich meine Ruhe hatte.

Da das Hotel ohne Verpflegung gebucht wurde, musste jeder sehen, wie er satt wurde. Etliche Fastfood-Ketten waren billiger als in Deutschland und so waren Wendys und McDonalds meine Haupternährer in den gesamten drei Wochen. Ob dies der Grund für permanenten Dünnschiss war, weiß ich nicht. In Miami Beach gab es unsagbar viele Restaurants und auch Läden, die einen permanent versuchten ihren Elektroschrott anzudrehen. Elektroartikel waren ebenfalls teilweise weitaus günstiger als in Deutschland. Die meisten Läden, aber auch Restaurants, waren fest in den Händen von kubanischen Einwanderern. Mit spanischen Sprachkenntnissen war oft jeder besser aufgestellt als mit Englisch.

Der öffentliche Personennahverkehr wurde im Miami Beach überwiegend mit Bussen durchgeführt. Die Fahrt kostete einen Dollar, der in einen Automaten gesteckt werden musste. Anschließend öffnete sich die Schranke zum Fahrgastraum. Als ich einmal keinen Dollarschein zur Hand hatte, konnte ich dank des Busfahrers umsonst mitfahren. In Deutschland hätte man mich aus dem Bus geworfen.

Die Amerikaner machen viel möglich. Das zeigte sich bei einem Restaurantbesuch. Wir waren bei einem Italiener essen und vor dem Gebäude standen mehrere Stretch-Limousinen. Auf Nachfrage beim Besitzer, ob er uns denn damit vom Hotel abholt, wenn wir noch 10 andere Leute mitbringen, sagte er zu. Und tatsächlich, bei einem Anruf schickte er die Limousinen mit Fahrer zum Hotel, um uns abzuholen. Ein tolles Erlebnis.

Rund um das Hotel gab es leider wenig Möglichkeiten, sich in einem Supermarkt einzudecken. Der nächste Supermarkt war über 2 Kilometer entfernt, was einen kleinen Fußmarsch bedeutete. Nicht so schlimm, wenn es nicht immer wieder so plötzlich anfangen würde zu regnen. Nachdem wir uns mit mehreren 25-Trägern Budweiser versorgt haben, wurden wir auf dem Rückweg zum Hotel von einem Gewitter überrascht, dass jegliches Papier aufweichen ließ. Das war natürlich ein riesengroßes Problem, denn Alkohol in der Öffentlichkeit ist in den USA absolut verboten. Ein Wachmann eines anderen Hotels sah unsere Not und half uns. Auch nicht selbstverständlich. Das Wetter in Miami Beach ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Ich habe aber die hohe Luftfeuchtigkeit und den ständigen Wechsel von Sonne und Regen sehr genossen.

Zwei Ausflüge habe ich dann doch noch mitgemacht. Einer ging in das Jungle Island, eine Art Zoo mit Attraktionen und der andere ging in den Everglades National Park. Beides waren Ausflüge, die sich wirklich gelohnt haben. Nach langen drei Wochen ging es dann leider wieder zurück in die Heimat. Der Koffer voll mit Levis Jeans und der Kopf voll mit Erinnerungen.

Fazit: Miami Beach 1993 war für mich die erste weitere Reise. Es hat mir mit der unfreiwillig zusammengestellten Gruppe viel Spaß gemacht. Die Bevormundung mit der Reisebegleitung hat mir weniger gefallen. Es sollte schon jeder akzeptieren, dass man mit 23 machen kann, was man will und das auch respektieren. Insgesamt war die Reise über die Sportjugend allerdings viel zu teuer verkauft worden. Es war eher etwas für Menschen, die für alles eine führende Hand brauchen und für Söhne und Töchter von gut verdienenden Eltern. Mein erster USA-Besuch wird für immer positiv in Erinnerung bleiben.

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Hendrik Lorenz

*1970 in Braunschweig.
Technischer Redakteur, Offsetdrucker und professionelles Arschloch.

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Kommentare

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