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- Hendrik Lorenz
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Ägypten war mal eine spannende Geschichte. Doch das war 1990, zur Zeiten des ersten Golf-Krieges und zu einer Zeit, wo Massentourismus noch ein Fremdwort in diesem Land war. Da waren Taucher noch unter sich. In der Naama Bay bei Sharm El Sheikh gab es nur eine Handvoll Hotels. Alles war sehr übersichtlich und ruhig. Hier und da gab es den einen oder anderen Händler der versuchte seine Ware den Touristen zu verkaufen. Ein Schlendern über die Strandpromenade hatte wirklich noch einen Hauch Urlaubsfeeling. Der gesamte Aufenthalt war Erholung pur. Doch die Gegenwart hat einen schon längst eingeholt. Aus den einzigen idyllischen Ort Hurghada ist mittlerweile ein stinkender und hupender Moloch geworden. Ein Hotel nach dem anderen - teils nie fertiggestellte Gebäudegerippe. Aus den geschäftstüchtigen freundlichen Händlern sind aufdringliche dreiste Abzocker geworden, die die Auffassung haben, dass Touristen nur dazu da sind, bis aufs Letzte ausgepresst zu werden. Außerhalb des Hotels gleicht ein Spaziergang in Hurghada einem Spießrutenlauf. Die neue Generation der Ägypter. Wer nicht aufpasst, wird ständig übers Ohr gehauen. Kein Wunder das es im Internet Tausende von Reiseberichten zu finden sind, die vorwiegend negativ ausfallen. Nicht immer ist diese Kritik berechtigt, denn die meisten Besucher kommen eben auch mit falschen Vorstellungen nach Ägypten. Wer 600 Euro für eine so weite Reise ausgibt, kann dafür nicht viel verlangen. Wer nach Ägypten fährt und sich zuvor allenfalls bis zum Ballermann 6 bewegt hat, erlebt oft eine Pleite. Keine Schinkenstraße, kein Massenbesäufnis oder "du-ich-fickificki". Frauen und Party? Fehlanzeige. Hier gibt es nur das wunderschöne Rote Meer und viel Sonne. Meistens wolkenlos. Nun ist es also wieder soweit, der 7. Besuch in Ägypten steht an. Nachdem die Unterwasserwelt bei Dahab 2005 nicht überzeugt hat, geht es wieder ins "Mallorca" Ägyptens. 10 Tage tauchen - wenn denn alles gut geht mit dem Tauchgepäck. Der Vorabend Checkin bei Air Berlin verlief reibungslos. Es gab weniger Diskussionen wegen der Tauchausrüstung wie im Dezember, da hat es erst nach etlichen Telefonaten geklappt bei Air Berlin das Tauchgepäck einzuchecken. Neu war diesmal aber, dass das Gepäck sich einem Sperrgutröntgen aussetzen musste. Die Abfertigungsmethoden werden immer abenteuerlicher. Am Flughafen Hurghada das übliche Chaos. Schlimmer als jeder meiner 6 Besuche zuvor. Die Reiseveranstalter locken die Touris massenhaft an ihren Schalter und drücken ihnen das teure Visum auf (25 Euro). Natürlich sagt niemand, dass es das gleiche Visum für 11 Euro am Bankschalter gegenüber gibt. Somit wandern erst einmal 14 Euros in die Taschen der Organisatoren vor Ort. Skrupellose Touristenabzocke. Der Weg zu den Transferbussen mit 55 Kilo Gepäck war sehr beschwerlich. Auch in der Nacht waren es noch fast 30 Grad. Um 3 Uhr war das Grand Hotel endlich erreicht. Wie am Flughafen das gleiche Bild: Massen an Menschen die jetzt zwar nicht um ein Visum anstehen - aber um den Zimmerschlüssel. Um 4 Uhr ist endlich Schluss - wenigstens 3 Stunden Schlaf. Der Morgen danach - dicker Kopf und Müdigkeit. Der Transferbus zur Tauchbasis war pünktlich. Rund um das Hotel hat sich in den letzten 8 Jahren einiges geändert. Die stark befahrene Hauptstraße vor dem Hotel ist in eine Privatzone umgewandelt worden. Ins Zentrum von Hurghada muss jetzt ein gewaltiger Umweg in Kauf genommen werden. Bis zur Basis dauert es 20 Minuten. Dort waren erstaunlicherweise alle gut organisiert, kein Vergleich zu dem Ablauf vor 3 Jahren. Das Tauchboot war auch größer - von der alten Crew ist niemand mehr da. Die extreme Hitze ist auf dem Boot beim Tauchen zum Glück kaum zu spüren. Am Pool oder am Strand ist es tagsüber im Juli auch im Schatten kaum auszuhalten. Crew, Essen und Support auf dem Boot waren vorbildlich. Mit allen 10 Tauchtagen war ich zufrieden (Details siehe Bericht "Tauchbasen"). Nach der Rückkehr in das Hotel bleiben einem nicht mehr viele Möglichkeiten den Tag ausklingen zu lassen. Entweder wird das allabendliche Programm im Grand Hotel in Anspruch genommen, oder alternativ das Leben vor der Unterkunft. Dieses besteht nach wie vor aus merkwürdigen "Clubs" und den obligatorischen nervigen Händlern, die einen immer noch penetrant versuchen ihren Ramsch aufzudrücken. Die gesamte Umgebung vom Grand Hotel hat sich in eine größere "Shoppingmeile" verwandelt. So eine Art "Fußgängerzone" für Arme. Waren im Bereich zwischen Grand Hotel und "Hor (Horror) Palace" im Jahre 2000 nur vereinzelt Shops angesiedelt, platzt jetzt alles aus den Nähten - Touri Nepp an jeder Ecke. Generell ist in Ägypten alles preiswert. Nur in den Restaurants sollte jeder aufpassen. Seit Kurzem besteht dort die Unsitte, andere Preise als in der Karte zu berechnen oder ohne Vorankündigung eine etwa 20 % hohe "Servicepauschale" auf die Endabrechnung zu erheben. Mit Internet sieht es allgemein ziemlich schlecht aus. Die Leitungen sind auf ISDN Niveau - also viel Geduld mitbringen. 80 Cent für eine halbe Stunde im Internetcafé empfinde ich auch als ziemlich teuer. In dem Bereich gab es in den letzten 10 Jahren leider keinen weiteren Fortschritt. Aber: Es gibt Hoffnung. Wer mit seinem eigenen Notebook anreist, hat die Möglichkeit bei beiden McDonalds das kostenlose WLAN zu nutzen. Das Netzwerk funktioniert hervorragend.
Fazit: Wer nicht an Wassersport interessiert ist, sollte Hurghada als Reiseziel meiden. Hier ist ansonsten wirklich gar nichts los außer Chaos und Gestank. Wer zum ersten Mal Ägypten bereist wird sich damit abfinden müssen, öfters mal übers Ohr gehauen zu werden. Das Rote Meer entschädigt aber für alles. Eine Wiederholung ist deshalb nicht ausgeschlossen, alleine aufgrund der kurzen Anreisezeit und der permanenten Sonnengarantie. Fürs Erste reicht es aber mal wieder und den Satz „Hello my friend“ kann ich auch nicht mehr hören.