Seminar Verkehrstechnik in Berlin – Berliner Unterwelten e.V. Tag 1

(1 Bewertung)

16 Jahre nach dem ersten Seminar bei den Berliner Unterwelten wollte ich es doch noch einmal wissen und meinen geschichtlichen (ehrlich gesagt bescheidenen) Horizont erweitern. Ging es damals im Seminar vorwiegend um Hoch- und Tiefbunker aus diversen Epochen, drehte sich bei dieser Veranstaltung alles um die unterirdische Verkehrstechnik in Berlin. Die Einführung war nicht anders als 1999. Interessant auch wiederzusehen, wie viele Teilnehmer sich den Anspruch auf Bildungsurlaub mit juristischer Hilfe erkämpfen mussten. Das Thema Bildungsurlaub ist für viele Arbeitgeber immer noch ein rotes Tuch. Eigentlich unverständlich, denn es ist ein festgeschriebenes Gesetz und würde bei Verweigerung sofort vom Arbeitsgericht kassiert werden. Den Referenten schienen offensichtlich sehr daran interessiert zu sein, dass viele Teilnehmer über den Bildungsurlaub in die Veranstaltung gerutscht sind – sicherlich nicht ganz uneigennützig. Der Seminarraum befand sich auf der mittleren Ebene der Treppe auf dem Weg zu den Gleisen der U8 im U-Bahnhof Gesundbrunnen. Ein Raum direkt unter dem Bahnsteig, alle paar Minuten ratterte eine U-Bahn unter den Füßen durch und der Lärmpegel stieg. Hat aber trotzdem nicht gestört, sondern zum ganzen Thema gepasst.

Erster Vortrag des Tages „Blinde Tunnel im Schnellbahnnetz in Berlin“. In diesem Referat ging es darum, grundlegend die Entstehung des Schienenverkehrsnetzes in Berlin vorzustellen. Hierbei wurden auch nicht realisierte Vorhaben und Bauten sowie zukünftige Pläne der S-Bahn und BVG dargestellt. Interessant war auch der Punkt, dass viele unterirdische S- und U-Bahnhöfen Vorarbeiten geleistet wurden. Das heißt, gab es zum Zeitpunkt des Baues schon konkretere Vorstellungen von einer zukünftigen Erweiterung bzw. Kreuzung mit einer anderen Linie, wurde so weit schon vorbereitet, dass im Falle der Realisierung nicht wieder alles aufgerissen werden musste. Doch die prekäre finanzielle Lage Berlins ließ viele Planungen wie Seifenblasen zerplatzen und so verfügen heute diverse U-Bahnstationen über verwaiste und nicht genutzte Abschnitte (z.B. Innsbrucker Platz, Steglitzer Kreisel). Dass die Berliner U-Bahn auf zwei unterschiedlichen Profilen (Kleinprofil und Großprofil) unterwegs ist, war mir auch neu. Doch es ist ja tatsächlich so, dass die Linien der U1 bis U4 erheblich kleiner (und vor allen Dingen lauter!) sind. Nach der Umstellung auf das Großprofil machte es aber wirtschaftlich keinen Sinn mehr, die bestehenden Tunnel und Bahnhöfe des Kleinprofils umzubauen.

Vollgepumpt mit den Grundlagen der Schienenverkehrstechnik von Berlin wer das erste Ausflugsziel der Potsdamer Platz. Hier referierte mit Leidenschaft ein Architekt, der den Bahnhof Potsdamer Platz von seiner Entstehung bis in die Neuzeit verkehrstechnisch und architektonisch vorstellte. Auch am Bahnhof Potsdamer Platz wurden bei den Bauarbeiten in den 1990er Jahren Bauvorleistungen getätigt. So wurde eine komplette U-Bahnstation bereitgestellt, die momentan bis zur (eventuellen) Realisierung der U3/U10 als sogenannte „Eventlocation“ genutzt wird. Diese verläuft quer zur Fahrtrichtung der S-Bahn und Regionalverkehrs und würde oberhalb verlaufen. Leider war ein Betreten dieses Geisterbahnhofs aufgrund der Untersagung der S-Bahn nicht möglich.

Letzte Station des Tages war der Anhalter Bahnhof. Hier war ich auch irgendwie 2002 das letzte Mal und zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Blick für anderes, sonst wäre mir der imposante Hochbunker direkt daneben sicherlich aufgefallen. Das traurige Fragment des Portikus vom Anhalter Bahnhof ist unverändert. Kaum vorstellbar, was dieser Bahnhof einmal für ein riesiges Ausmaß hatte. Die dahinterliegende freie Fläche ist jetzt bebaut. Es thront das hässliche Tempodrom auf dem geschichtsträchtigen Gelände. Unterirdisch gibt es aber noch Diverses zu entdecken. Der Anhalter Bahnhof verfügte Gänge für unterschiedliche Zwecke. Unter anderen der alte Gepäck- und Posttunnel, der damals vom Anhalter Bahnhof zu einer Poststation und den benachbarten Hochbunker führte. Dieser ist allerdings nicht besonders spannend und bis auf ein freigelegtes Hinweisschild aus den Kriegsjahren erinnert nichts an diese dramatische Zeit. Es ist extrem kalt in dem Verbindungstunnel und Modelleisenbahnbau hat mich dann auch nur wenig interessiert. Der Punkt sollte in dem Seminar vielleicht noch einmal überdacht werden, denn er liefert nur wenig nachhaltige Information über Berlins unterirdische Verkehrstechnik. Trotzdem war ich mit dem ersten Tag des Seminars sehr zufrieden und hoffe auf eine kleine Steigerung am Dienstag.

 

 

Hendrik Lorenz's Avatar

Hendrik Lorenz

*1970 in Braunschweig.
Technischer Redakteur, Offsetdrucker und professionelles Arschloch.

Nichts gefunden?

Kommentare

Hendrik gefällt ein Kommentar bei Impressum
God Tonya, come over email!!!! postamt@hendrik-lorenz.de
In einem Artikel
Tonya hayslett gefällt ein Kommentar bei Impressum
Hey hendrik it's me Tonya took me a while but got a phone to find you
Mansour gefällt ein Kommentar bei Kotte & Zeller - Eine unendliche Bestellung
Interessant ist, dass dieser Bericht bereits 10 Jahre her ist, und an der Informationspolitik hat si...
Ich war letzte Woche, Anfang Juni, dort Übernachten. Ziemlich unruhig dort. Kann man nur am WE besuc...
Machen kann man immer viel, nur muss man dazu auch seine Komfortzone verlassen und auch Gegenwind ve...