Voll durch das Touristenzentrum....
Wenn der Masken, Lockdown- und Grippevirusirrsinn etwas Gutes hat, dann der, dass Berlin momentan komplett Touristen-frei ist. Vor der Mauertour durch das Berliner Zentrum hat es mich lange gegraust. Zu nervig sind verstopfte Straßen und Wege von Menschen aus aller Herren Länder. Heute war es richtig schön, ja gerade zu verwaist. Wo sonst reges Treiben und Pulk artige Zusammenkünfte zu beobachten sind, gähnende Leere. Startpunkt Oberbaumbrücke auf der Kreuzberger Seite. An der East Side Gallery, wo ansonsten sich die Leute gegenseitig auf die Füße treten, freies Geleit bis zur Schillingbrücke, über den Bethaniendamm weiter an der Außengrenze von Kreuzberg Richtung Westen. In der Sebastianstraße gab es eine Gedenktafel, die an den legendären Fluchttunnel erinnert. Bekannt auch unter dem Namen „Der verratene Fluchttunnel in der Sebastianstraße“. Am 28. Juni 1962 Juni drangen Fluchthelfer durch einen Tunnel in einen Keller eines auf DDR-Gebiet liegenden Hauses ein und liefen dabei in einer Falle der Stasi. Die Flucht wurde zuvor von einem inoffiziellen Mitarbeiter verraten und Fluchthelfer Noffke und Hötger wurden beschossen. Noffke erlag seinen Verletzungen, Hötger wurde dabei schwer verletzt.
Beim Überqueren der Friedrichstraße hatte ich schon so meine Bedenken, denn am Checkpoint Charly ist auch ein sehr bekannter Touristenhotspot. Doch hier: kein Mensch. Doch trotzdem schnell weiter, wenn interessiert dieser geradezu kitschig inszenierte Grenzübergang. Beim Überqueren der Wilhelmstraße ein böser Bau: das Bundesministerium der Finanzen. Auch bekannt als das ehemalige Reichsluftfahrtministerium unter Leitung von Hermann Göring. Ein imposantes, im neoklassizistischen Stil erstelltes Gebäude, was den Krieg relativ gut überstand und in den 1990er-Jahren aufwendig saniert wurde. Gegenüber dem heutigen Bundesministerium der Finanzen befindet dich die Ausstellung „Topografie des Terrors“. Ein perfekter Ort, um die Kultur der deutschen Schuld zu pflegen oder sich an den deutschen Gräueltaten zu empören. Ich habe diese Vernissage Mitte der 1990er-Jahre einmal besucht und empfand sie damals als zu trocken, zu detailliert und einfach nur ermüdend.
Nächte Station Potsdamer Platz, vorbei an der Voßstraße wo einst das Führerhauptquartier mit Führerbunker stand, Brandenburger Tor und Reichstag. Dazwischen das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Hässliche Betonklötze, die einen wirklich zum Kotzen bringen. Am Reichstag musste ein Umweg eingelegt werden, da mittlerweile die Parteibonzen das Gebäude weiträumig abgesperrt haben und somit der eigentliche Mauerweg blockiert war. Entlang des Reichstagsufers konnte wunderbar die architektonische Meisterleistung des Baubooms des Bezirkes aus den 1990er-Jahren bewundert werden. Eine in Beton gegossene, unfassbar hässliche Angelegenheit. Schöner wurde es, als der Mauerweg durch den Invalidenfriedhof führte. Der imposante Friedhof wurde durch die Teilung Deutschlands fast völlig zerstört. Noch heute sind Reste der Hinterlandmauer auf dem Areal zu finden. Auf dem Friedhof haben berühmte Persönlichkeiten wie Richthofen (der rote Baron), Moltke, Scharnhorst oder Puttkammer ihre letzte Ruhestätte gefunden. Allerdings sind auch SS-Größen wie Reinhard Heydrich oder NSDAP-Mitglied Fritz Todt, dessen Grabstellen man unkenntlich gemacht hat, in diesen Gottesacker danieder gelassen. Wo diese Gräber genau zu finden sind, ist allerdings in Berlin ein offenes Geheimnis.
Einen Kilometer nordöstlich des Invalidenfriedhofs zog sich die Mauer und der Todesstreifen durch einen weiteren Friedhof. Auch der Domfriedhof der St.-Hedwigs-Gemeinde leidet noch heute unter den Spuren der Teilung. An der Ecke Liesenstraße/Gartenstraße befindet sich noch ein letztes vergessenes Stück Mauer und daneben die stillgelegte (Lost Place) Fachwerkbrücke Liesenstraße. Innerhalb des Friedhofs gibt es noch Reste der Hinterlandmauer zu finden. Einen Kilometer weiter die Mauergedenkstelle Bernauer Straße. Ein riesiger Komplex, der in einer Art Museum umgewandelt wurde. Auch ein fiktiver Todesstreifen wurde dort inszeniert.
Die Bernauer Straße war auch für ihre vielen Fluchttunnel in den Osten bekannt. Heute befinden sich dort viele Dokumentationszentren, die sich mit den Ereignissen der geteilten Jahre beschäftigen. Ausstieg Etappe 10: U-Bahnhof Bernauer Straße.
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