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- Hendrik Lorenz
- Kategorie: Blog
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[1], [2] Wir schrieben das Jahr 1918. In dieser Zeit war Berlin eine kriminelle Vorzeigestadt. Während es in der Kriegszeit der Zivilbevölkerung nicht erlaubt war, Waffen zu besitzen, waren Schwerverbrecher derweil hoch gerüstet. Diese Waffen wurden von den Kriminellen auch gnadenlos bei ihren Taten eingesetzt. In Berlin hielten sich in der Zeit des 1. Weltkriegs eine große Anzahl von Deserteuren und Mitbürgern auf, die sich der Kriegspflicht entzogen und ihren Lebensunterhalt mit Verbrechen finanzierten. Die Polizei wurde der Lage kaum noch her. Im zentral gelegenen Ortsteil Moabit, einem Industrie- und Arbeiterbezirk, fanden in der Wilsnacker Straße extrem viele Einbrüche statt. Anwohner und Geschäftsinhaber baten deshalb das Polizeirevier 75 in der Rathenower Straße um Hilfe. Das Revier genehmigte dem Polizisten Heuser für ein extra Salär außerhalb seiner Dienstzeit abends auf der Wilsnacker Straße zu patrouillieren.
Diese Tat wirft ein grelles Licht auf die letzten Monate des ersten Weltkrieges (Aktenvermerk)
Es dauerte auch nicht lange, da beobachtete der Schutzmann am 05.03.1918 einen Einbruch. Die Ganoven bemerkten, dass sie entdeckt wurden und flüchteten die Wilsnacker Straße herunter in Richtung Kleiner Tiergarten. Auf der Turmstraße gelang es Heuser einen der Einbrecher zu packen. Daraufhin forderte ein Komplize den Polizisten auf, seinen Kumpanen loszulassen. Heuser kam der Aufforderung nicht nach, worauf hin der Komplize zweimal auf dem Beamten schoss. Dieser brach besinnungslos zusammen. Ein Posten des 93. Infanterie-Regiments auf der Turmstraße hörte die Schüsse und benachrichtigte einen Wächter. Dieser fand den Schutzmann leblos vor dem Haus Turmstraße 13 liegend. Ein anderer Polizist im offiziellen Dienst brachte Heuser, aus Mangel an einsatzbereiten Fuhrwerk, mit der Straßenbahn in das Krankenhaus Moabit. Ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, starb Heuser im Krankenhaus gleich nach seiner Einlieferung.
In dem Bereich Turmstraße wurden zeitgleich einige Tatverdächtige festgenommen, die offensichtlich die Komplizen des Mörders waren. Insgesamt gelang es der Polizei vier Verdächtige zu ermitteln, die mit dem Einbruch und dem anschließenden Mord zu tun hatten. Aufgrund von Zeugenaussagen konnte der eigentliche Schütze und Polizistenmörder zwar identifiziert werden, jedoch gelang es dem Täter sich der Verhaftung zu entziehen. Bei den Festgenommenen handelte es sich um den Bäckerlehrling Georg Scharf (17), Schlachterlehrling Max Müller (17), Albert Seltz (24) und Karl Kursidim (22).
Täter benutzte verschiede Aliasnamen
Der Mörder wurde durch einigen Zeugenaussagen als der Schlosser Erich Kuhl (*02.07.1895 in Lomnitz) identifiziert werden. Eine Festsetzung des Polizistenmörders Erich Kuhl gelang weiterhin nicht. Was die Berliner Polizei zu dem Zeitpunkt nicht ahnen konnte: Erich Kuhl hatte Berlin längst schon verlassen und war mit mehreren Aliasnamen im Kaiserreich unterwegs. Gegenüber Zeugen erwähnte Kuhl immer wieder, dass er jeden sofort erschießen würde, der ihn versucht festzunehmen. Die letzte Station Kuhls war Dortmund. Auch in Dortmund zog er mit Komplizen durch die Gegend und verübte Einbrüche. Seine letzten Spießgesellen waren Mizilaus Krause und Kasimir Kasirows, zwei russische Arbeiter. Kuhl blieb weiterhin brandgefährlich. Nach Zeugenaussagen rannte er in angetrunkenen Zustand durch die Straßen und drohte Passanten mit Erschießung. Ein Bergmann konnte sich gerade noch so vor ihm retten. Ein jähes Ende seiner verbrecherischen Karriere fand Kuhl in einer Dortmunder Straßenbahn. Mittlerweile wurde der Polizistenmörder aus Berlin wegen eines Einbruchs in einer Zigarettenfabrik in Dortmund gesucht. Der Kriminal-Polizeisergeant Ilsen erkannte Kuhl und wollte ihn festnehmen. Daraufhin erschoss Kuhl den Beamten durch seine in der Jackentasche befindlichen Pistole. Danach richtete er sich mit der gleichen Pistole selbst.
Fazit
Ein unbekannter und alter Kriminalfall aus Berlin, der sicherlich noch mehr zu bieten hätte, wenn die entsprechenden Ermittlungsmöglichkeiten zur damaligen Zeit vorhanden gewesen wären. Kuhl war ganz offensichtlich, bevor er zum Mörder wurde, der Anführer einer Bande von Kleinkriminellen. Die meisten Einbrüche, die nachgewiesen werden konnten, wurden in Moabit ausgeführt. Hin und wieder verlagerte die Clique ihre Diebestour auch in den Stadtteil Charlottenburg. Auffällig dabei ist, dass die Einbrüche immer in der Nähe von U-Bahnhöfen der U7 oder einer anderen U-Bahnstation (zum Beispiel Wilhelmshavener Straße U-Bahnstation Birkenstraße U9) stattfanden. Nach dem Abschlussbericht der Berliner Polizei traut diese Erich Kuhl noch weitere schwere Verbrechen zu. Kuhl wird auch in Zusammenhang mit Streikunruhen in Berlin gebracht. Er habe selbst behauptete (Anm.d.Red.: gegenüber den Zeugen Pillon) einen Straßenbahnwagen umgeworfen zu haben und habe anschließend auf der Gotzkowskybrücke auf einen Beamten geschossen. Dieser soll daraufhin sofort zusammengesackt sein. Die Polizei hält diese Erzählungen für glaubwürdig und ist der Meinung, dass noch viele weitere Verbrechen auf Kuhl zurückzuführen seien. Etwas rätselhaft bleibt die Tatbeteiligung des Karl Kursidim bei dem Polizistenmord, denn er wird in den Akten eigentlich gar nicht erwähnt. In einem Artikel des Berliner Tageblatts vom 11.03.1918 wird behauptet, dass Albert Seltz in der Wallstraße 6 wohnhaft ist. Dies ist aber sehr unwahrscheinlich, weil die Wallstraße 6 sich in Berlin-Mitte befindet und auch schon damals ein teureres Pflaster war, was sich wohl kaum ein Kleinkrimineller leisten konnte. Es ist anzunehmen, dass es sich eher um die Waldstraße 6 in Berlin Moabit handelte, ganz in der Nähe des Wohnortes des Erich Kuhl. Weiterhin bleibt offen, ob sich Erich Kuhl direkt nach dem Mord an dem Kriminal-Polizeisergeant Ilsen in Dortmund sich selbst erschossen hat (also direkt in der Straßenbahn, wo die Tat verübt wurde) oder zeitnah an einem anderen Ort. Sehr interessant ist auch der Streit um die Belohnung nach Aufklärung des Falles innerhalb der Polizeibehörden zwischen Berlin und Dortmund. Die Dortmunder Polizei forderte Anteile von der ausgelobten Belohnung von insgesamt 3000 Mark für ihre Beamten und wollten sich das Geld wohl auch einklagen. Die Berliner Polizei verwies mehrfach auf den Fakt, dass der Rechtsweg zum Erhalt der Belohnung ausgeschlossen ist und die bisherige Entlohnung mehr als angemessen war. Da die Dortmunder Ermittlungsarbeit zur Identifizierung des unbekannten Toten komplett inkompetent war (zur Identifizierung des damals unbekannten Selbstmörders musste erst Kriminalwachtmeister Bender entsandt werden).
Position | Straftaten und Wohnorte der Täter |
1 | Wohnung Erich Kuhl Huttenstraße 65 |
2 | Wohnung Erich Kuhl Rostocker Staße 52 |
3 | Am 3.12.17 Einbruch im Hutgeschäft von Julius Rosendorf, Beusselstraße 39. Täter: Seltz, Kuhl, Karl Kursidim. Objekt: Hüte im Werte von 600 Mark |
4 | In der Nacht zum 26.1.18 Schaufenstereinbruch bei Gamm, Wilhelmshavener Straße 45. Objekt: Damenhandtaschen, Ketten und Uhrarmbände, Wert 300 bis 400 Mark. Täter: Kuhl und Karl Kursidim. |
5 | Letzter Einbruchsversuch Wilsnacker Str. 52 am 05.03.1918 |
6 | Mordtatort Turmstraße 13 |
7 | Am 7.1.18 Einbruch in Papiergeschäft von Marie Gutmacher*, Alt-Moabit 82a, Objekt: Brieftaschen pp. Wert 100 Mark. Täter: Erich Kuhl und Max Müller. |
8 | Am 25.1.18 Schaufenstereinbruch bei Conradi, Kaiserin-Augusta-Allee 89. Objekt: Stoff. Täter: Kuhl und Kursidim. |
12 | Wohnung Albert Seltz Waldstraße 6 |
Position | Straftaten und Wohnorte der Täter |
9 | Am 8.2.18 Einbruch in der Resterhandlung von Frau Kreisberg, Charlottenburg, Krumme Straße 41. Objekt: Stoffe im Werte von etwa 25.000 Mark. Täter: Kuhl, Seltz, Georg Scharf, und Max Müller. |
10 | Am 22.2.18 Einbruch in Spitzengeschäft von Berger, Charlottenburg, Krumme Straße 56. Objekt: Samt, Plüsch und Spitzen im Werte von 1368 Mark. Täter: Kuhl, Seltz, Scharf, Müller. |
11 | Am 3.12.17 Einbruch im Hutgeschäft von Julius Rosendorf, Beusselstraße 39. Täter: Seltz, Kuhl, Karl Kursidim. Objekt: Hüte im Werte von 600 Mark |
Aktenvermerke
Abschlußbericht
[2] In der Nacht zum Fünften des Monats wurde der Schutzmann Heuser, der in bürgerlicher Kleidung Dienst tat, gegen 1:22 Uhr schwer verwundet vor dem Hause Turmstraße 13 aufgefunden. Er starb bald darauf im Krankenhaus Moabit. Es ergab sich, dass zwei Schüsse auf ihn abgefeuert waren. Eine Kugel hat, wie die Leichenöffnung ergeben hat, den linken Oberarm und auch den Knochen durchbohrt, ist durch die Achselhöhle eingedrungen und hat die Lunge zerrissen. Die zweite Kugel ist anscheinend irgendwo abgeprallt. Sie ist auch im Krankenhaus gefunden, von dem diensthabenden Arzt Dr. Lingender dem Nachtwärter Ulbrich übergeben, diesen jedoch entfallen. Sie konnte nicht mehr gefunden werden. Es sind eine Reihe von Zeugen noch ermittelt, die das Schießen gehört, auch aus mehr oder minder großer Entfernung verdächtige Person haben rennen sehen, und so weiter. (Jocktomsen, Carstens, Gornetzke, Kulisch, Schmidt, Frau Krzowa, Räthig, u.a.) Zeugen des Hergangs der eigentlichen Tat und ihrer Vorgeschichte sind nicht ermittelt.
Die Tat ist jedoch durch das Geständnis der bisher festgenommenen Beteiligten und durch Mitteilungen, die sie bald nach der Tat Bekannten gegenüber gemacht haben, völlig aufgeklärt. Täter ist der Schlosser Erich Kuhl, 2.7.1895 Lomnitz Kreis Meseritz geboren. Er ist der Sohn eines Lehrers in Lomnitz. Wie schon früher mehrfach, so war Kuhl auch in jeder Nacht zusammen mit dem 17-jährigen, aus der Lehre entlassenen Bäckerlehrling Georg Scharf und dem 17-jährigen Schlachterlehrling (Spitzname Kocher) auf Einbrüche ausgegangen, und zwar von ihrem Sammelpunkt, der Wohnung des Seltz, aus. Von dort aus wurde auch das Diebeswerkzeug mitgenommen. Gelegenheit zur Ausführung eines Diebstahls suchten sie in der Wilsnacker Straße. Die Geschäfte in dieser Straße waren in der letzten Zeit derart häufig von Einbrechern heimgesucht worden, dass die Geschäftsinhaber einen besonderen Privatüberwachungsdienst eingerichtet hatten, der durch Beamte des zuständigen Reviers versehen wurde. In jener Nacht tat zum ersten Mal der Schutzmann Heuser Dienst. Ihm waren die Leute sofort als verdächtig aufgefallen.
Müller und Scharf bestreiten zwar, einen Diebstahl beziehungsweise Diebstahlversuch ausgeführt zu haben. Kuhl hat er jedoch dem Pilonen selbst erzählt, Scharf habe verschiedene Türen „aufgetandelt“. Der Beamte stellte schließlich den Scharf, nahm ihn mit der rechten Hand am linken Ärmel und wollte mit ihm zur Wache gehen. Müller scheint sich mehr im Hintergrund gehalten zu haben, während Kuhl hinterherkam und den Beamten zurief, er solle den Festgenommen loslassen. Der Beamte forderte Kuhl auf, sich zu entfernen, da er sonst schießen würde. Kuhl folgte ihm trotzdem und wurde von den Beamten nochmals aufgefordert, sich zu entfernen. Statt dieser Aufforderung Folge zu leisten, kam Kuhl ganz dicht heran und schoss aus einer Entfernung von etwa ein Schritt zweimal auf den Beamten. Die Schüsse wurden aus so unmittelbarer Nähe abgefeuert, dass dem Scharf die Funken ins Gesicht sprühten. Daraufhin ließ der Beamte den Scharf los und taumelte fort. Kuhl, Scharf und Müller flüchteten dann. Bezeichnend für die Gleichgültigkeit der Beteiligten ist der Umstand, dass Scharf bald darauf die Bekanntschaft eines Straßenmädchens machte und bei dieser die Nacht zugelegt hat. Dem Kuhl und seinen Mittätern fallen eine ganze Reihe von Einbrüchen zu Last (Die betreffenden Diebstahlanzeigen sind der besagten Übersichtlichkeithalber nicht zu den Hauptakten gekommen, sondern in einem besonderen Anzeigenheft vereinigt). Siehe dazu: Übersicht Tatorte und Täterwohnorte (Anm. d. Red.). Diese Diebstähle zu 3., 4. und 5. (Positionsnummer Karte Anm. d. Red.) bilden bereits den Gegenstand einer in den Akten 43.J.197/18 der Staatsanwaltschaft I erhobenen Anklage. Kuhl hat er sich fälschlich Bea genannt, und ist daher in jenen Akten bisher nicht ermittelt. Übrigens sind nicht einmal die Diebstahlsanzeigen betreffend den Diebstahl bei Kappel und bei Conradi herangezogen. Dies ist nachträglich von hier aus veranlasst. Die Akten 43.J.197/18 liegen bei.
Auch während des Streiks hat sich Kuhl anscheinend sehr hervorgetan. Wie Pillion bekundet, hat er sich für den Streik eine Pistole gekauft. Wenigstens hat er dies dem Pillon erzählt. Die damalige Wirtin des Kuhl, Frau Göbel, erklärt, dass er an den betreffenden Tagen nicht zu Hause gewesen wäre. Dem Scharf hat Kuhl erzählt, er habe geholfen, Straßenbahnwagen umzuwerfen und auch auf Schutzleute mit einem Stock einzuschlagen. Auch der Umstand sei hier erwähnt, dass mehrere Personen, die bei einer Frau Dunkel - der letzten Wirtin des Kuhl - wohnhaft waren durch Schüsse gelegentlich der Streikunruhen verletzt sind. Ob zwischen Kuhl und diesen Personen, bevor er zur Frau Dunkel zog, ein Zusammenhang bestanden hat, ist noch nicht klargestellt. Jedenfalls bedarf diese Art der Beteiligung des Kuhl an den Streikunruhen aus dem Gesichtspunkt der Tötung des Wachtmeister Thimisn* ebenfalls einer gründlichen Nachforschung. Im Fall Heuser dürfte sich Kuhl durch seine Handlungsweise des Mordes schuldig gemacht haben. Schon früher hat er dem Pillon erzählt, wenn er einmal festgenommen würde, schieße er jeden nieder. Kuhl war nicht festgenommen, der Beamte (Anmerkung: Heuser) hat sich gar nicht mit ihm befasst, er ist vielmehr aus eigenem Antrieb den Beamten und dem Festgenommen gefolgt und hat dann plötzlich aus einer Entfernung von einem Schritt den tödlichen Schuss abgegeben.
Die ganze Sachlage liegt also so, dass man wohl unbedenklich eine vorsätzliche, mit Überlegung ausgeführte Tötung annehmen kann. Inwiefern Scharf und Müller für das Schießen des Kuhl verantwortlich zu machen sind, lässt sich nicht klären, solange Kuhl noch nicht ermittelt ist. Dass aber insbesondere Scharf vielleicht derjenige gewesen ist, der den Kuhl zum Schießen aufgefordert hat, könnte man unter Umständen entnehmen aus der Tatsache, dass er Tage nach der Tat im Schlafe laut fantasierte und dabei auch im Schlaf sagte: „Erich schieße“ (Bekundung der Frau Seltz). Die Diebstähle, bei den fast immer dieselben Beteiligten und dieselbe Art der Ausführung in Betracht kommt, deren Zahl auch noch nicht wesentlich größer sein dürfte, als bis jetzt festgestellt, charakterisieren sich als Bandendiebstahl. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass Kuhl auch schon bei den früheren Diebstählen eine Waffe mitgeführt hat und dies den übrigen Beteiligten auch bekannt gewesen ist. Hierfür spricht der Umstand, dass die Zeugin Bruhnke auch bekundet, während eines von ihr in der Wohnung des Seltz abgestatteten Besuches wären Seltz, Scharf und Kuhl in der Stube gewesen, und sie hätten von der Küche aus das Knacken einer Schusswaffe gehört. Frau Seltz habe dann auch geäußert: „jetzt haben sie schon wieder den Revolver vor“. Die Beteiligten haben sich hiernach des wiederholten bandenmäßigen Einbruchdiebstahls unter Führung von Schusswaffen schuldig gemacht. Sie bleiben in Haft, da ein Verbrechen infrage kommt, sie schwere Strafen zu gegenwärtigen haben, im Hinblick auf die weiteren von ihnen verübten Straftaten auch Verdunklungsgefahr besteht.
Berlin, 10. März 1918.
Gennat
Krimminalkommisar
05.03.1918
Dem Herrn Chef melde ich im Anschluss an den heute Morgen in der Angelegenheit des Schutzmanns Heuser erstatteten Bericht folgendes: Die Ermittlung nach dem Täter sind sofort heute Früh durch den Kriminalkommissar Gennat aufgenommen. Der Schutzmann Heuser hatte Privatbewachungsdienst von Geschäften in der Wilsnacker Straße übernommen und an sich in der Turmstraße nichts zu tun. Was ihn dorthin geführt hat, hat sich bisher nicht aufklären lassen (vielleicht die Verfolgung eines Verdächtigen). Die Tat ist aber unzweifelhaft vor dem Hause Turmstraße 13 ausgeführt. Die Turmstraße war zu zur Zeit der Tat um 1:22 Uhr nicht etwa unbelebt. Der oder die Täter haben zwei Schüsse abgegeben, deren einer den Heuser unmittelbar in die linke Achselhöhle getroffen hat. Dieser Umstand beweist, dass er in dem Augenblick getroffen wurde, indem er den linken Arm, wohl zum Zwecke der Abwehr, erhoben hatte. Die zweite Kugel ist anscheinend irgendwo abgeprallt. Die Schlüssel sind von einer ganzen Anzahl von Personen gehört. Außer dem vor der Gemeindeschule in der Turmstraße auf Posten befindlichen gewesenen Grenadier Jockomsen im Sinn hat noch ein Türschließer Gornetzki den Mann gleich nach den Schüssen in die Bandelstraße laufen sehen. Von diesem kann aber nur eine ganz allgemeine Beschreibung gegeben werden.
Wie ein Kaufmann Kulisch bekundet, hat ihm ein Herr aus einem bestimmten Hause der Turmstraße zugerufen, an der Schießerei seien zwei Männer und eine Frau beteiligt gewesen. Nach den betreffenden Zeugen wird geforscht. In der Nacht zu heute haben drei junge Burschen in der Wilsnacker Straße einen Keller Diebstahl versucht. Dieser Fall steht aber mit der Sache Heuser offenbar nicht im Zusammenhang. Der Schutzmann Heuser hat in der Nacht zum 22. Februar einen Arbeiter Beutler festgenommen, als er im Begriff war, einen Kellereinbruch bei einem Bäckermeister auszuführen. Diese Spur wird augenblicklich verfolgt. Ferner ist ein Arbeiter Röhr vorläufig festgenommen, weil er von dem zuständigen Revier 75 mit der Tat in Verbindung gebracht wird. Die Annahme seiner Täterschaft stützt sich auf den Umstand, dass er als gewalttätiger Einbrecher in jeder Gegend bekannt ist, seine Kleidung auch von den Zeugen gegebene Beschreibung entspricht. Ein abschließendes Urteil darüber, ob der Verdacht gegen Röhr stichhaltig ist, kann nicht abgegeben werden.
08.03.1918
Dem Herrn Chef melde ich im Anschluss an die früheren Berichte, dass der Mord an dem Schutzmann Heuser nunmehr in der Hauptsache geklärt ist. Als Täter kommt ein noch nicht ergriffener Schlosser Erich Kuhl, 2.7.1995 Lomnitz geboren, infrage. Kuhl, der erst kürzlich wegen mehrerer Schaufenstereinbrüche eingeliefert war, vom Gericht aber trotz Wohnungs- und Arbeitslosigkeit wieder entlassen ist, ist anscheinend fahnenflüchtig. Er hat hier unter verschiedenen Namen Reinhold Bea, 16.9.1996 Berlin, und Erich Ebert, 3.7.1993 Bredow geboren, gelebt, war zum Teil auch unter diesen Namen gemeldet. Ob der Name Kuhl richtig ist, steht auch noch dahin. Cool hat sich in jener Nacht zusammen mit einem Bäckerlehrling Georg Scharf, 4.8.2001 München geboren, und einem Schlächterlehrling Max Müller, 28.3.2001 Langenphul geboren, in der Wilsnacker Straße zum Zwecke der Verübung von Diebstählen befunden. Der in bürgerlicher Kleidung Dienst tuende Schutzmann Heuser war auf die Drei aufmerksam geworden, hatte sie offenbar verfolgt und stellte schließlich den Scharf. Als er ihn auffordert, mit ihm zu Wache zu kommen, mischte sich Kuhl hinein und ersuchte den Beamten Schlaf loszulassen. Als der Beamte dieser Aufforderung nicht nachkam, gab Kuhl aus einer bis dahin von ihm auf den Rücken gehaltenen Browning zwei Schüsse auf den Beamten ab. Diese Darstellung beruht auf den Angaben des gestern festgenommenen Müller in Verbindung mit dem Ergebnis der sonstigen Wahrnehmungen und Feststellungen. Scharf ist auf diesseitigen Ersuchen in Bottrop festgenommen und wird heute hierher überführt. Kuhl ist noch nicht ergriffen. Es besteht jedoch Aussicht, auch seiner in Kürze habhaft zu werden. Scharf und Müller sind noch unbestraft. Auch von Kuhl sind Strafen nicht verzeichnet. Den Beschuldigten fallen eine ganze Anzahl von Diebstählen aller Art zur Last. Die Ermittlungen werden fortgesetzt.
18.04.1918
Wie die Ermittelungen in der Mordsache Heuser 704.IV 18.18 ergeben haben, handelt es sich bezüglich der am 26.1. eingelieferten Person nicht um Bea, sondern um den Mörder des Schutzmanns Heuser, Schlosser Erich Kuhl, 2.7.95 Lomnitz, Kr. Meseritz geboren, zurzeit unbekannten Aufenthalts. Kuhl hatte sich damals den Namen und das Nationale des ihm bekannten Reinhold Bea, 16.9.96 Berlin geboren, beigelegt, unter welchem Namen er auch sich in die Register des Polizeigefängnisses und des Untersuchungsgefängnisses hat eintragen lassen.
Berlin, den 18. April 1918.
Kriminalwachtmeister
23.11.1918
Übersicht über das Ermittlungsergebnis in der Mordsache Heuser Berlin und Ilsen Dortmund. In der Nacht zum 5. März 1918 gegen 1:30 Uhr wurde vor dem Hause Turmstraße 13, der in bürgerlicher Kleidung Dienst tuende Schutzmann Heuser von dem Wächter des Grundbesitzer-Vereins „Nordwest“ August Terting, Hennigsdorfer Straße 14 wohnhaft, erschossen aufgefunden. Ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben, starb er bereits auf dem Wege nach dem Moabiter Krankenhaus. Es ergab sich, dass zwei Schüsse auf ihn abgefeuert waren. Bald wurden eine Reihe von Zeugen ermittelt, die das Schießen gehört, auch aus mehr oder minder großer Entfernung verdächtige Personen hatten rennen sehen. Zeugen des Hergangs und der eigentlichen Tat und der hier vorangegangenen Ereignisse konnten jedoch vorderhand nicht festgestellt werden. Für wichtige Angaben aus dem Publikum beziehungsweise auf Ergreifung des Mörders waren inzwischen seitens des Herrn Polizeipräsidenten 3000 DM Belohnung ausgesetzt worden. Die nach den verschiedensten Richtungen angestellten eingehenden Ermittlungen wurden in kurzer Zeit durch die Angaben des Schneiders Wilhelm Scheffler, Zwinglistraße 32 wohnhaft, auf die richtige Spur gelenkt.
Dem Scheffler war eingefallen, dass ein junger Mann mit Vornamen Georg am Morgen nach der Tat zu ihm gekommen war, um sich seinen Mantel ausbessern zu lassen, an welchem der untere Knopf aus dem Stoff herausgerissen war. Auf die Frage, wie dies geschehen sei, hätte Georg erklärt, er wäre in der Nacht zuvor mit seinem Freunde Erich zusammen gewesen, und mit der Polizei in Konflikt gekommen. Georg wohne seines Wissens in der Waldstraße 6 bei Selz. Die sofort nach dieser Richtung hin angestellten Feststellungen führten nun zur Festnahme des Rundschleifers Albert Selz, Waldstraße 6 wohnhaft. Bei diesem wohnte ein Bäckerlehrling Georg Scharf, der mit dem vorgenannten Georg personengleich ist und mitunter von einem dem selbst als Erich Kuhl bekannten jungen Mann besucht wurde. Scharf hatte den Selz, als dieser ihn wegen seines Ausbleibens in der Nacht zum 5.3.1918 Vorhaltungen gemacht hatte, erzählt, er (Georg) sei in der fraglichen Nacht mit Erich zusammen gewesen. Sie beide hätten an der Ecke der Wilsnacker Straße und Turmstraße gestanden, als ein Mann auf sie zugekommen sei und ihn (Georg) festgehalten hätte. Erich habe jetzt versucht, ihn (Georg) als Freund loszulassen, worauf der Mann aber trotzdem mit ihm (Georg) fort gegangen und Erich gefolgt sei. Dieser habe dann ohne weiteres auf den Mann geschossen. Sie beide seinen geflüchtet.
Die weiteren Ermittlungen führten als dann zu der Ergreifung des Georg Scharf, der während dessen nach Bottrop i.w. zu den dort wohnhaften Eltern gereist war, und nachdem zur Festnahme des Schlächterlehrlings Max Müller, Flensburger Straße 13 bei Schneider wohnhaft. Ebenso konnte inzwischen ermittelt werden, dass der Erich personengleich war mit dem Schlosser Erich Kuhl, 2. Juli 1995 Lomnitz geboren, der unter verschiedenen Namen (Reinhold Bea, Erich Ebert, Erich Franke) hier nach und nach mehrere Wohnungen innehatte. Scharf bequemste sich nach längeren hartnäckigen Leugnen zu dem Geständnis, dass er mit Kuhl zusammen verschiedene Einbrüche in Moabit und Charlottenburg begangen hätte, teilweise auch in der Gemeinschaft noch anderer Personen, wie Müller und Selz. Auch in der fraglichen Nacht zum 5.3.1918 hätten sie wieder einen Einbruch geplant gehabt, als Heuser dazu gekommen sei und ihn (Scharf) festgehalten hätte. Als Kuhl den Beamten erfolglos aufgefordert hätte, ihn (Scharf) loszulassen, hätte Kuhl ohne weiteres aus einer Entfernung aus von etwa 1 Meter 2 Mal auf Heuser geschossen. Sie beide seien dann geflüchtet. Kurz, bevor der Beamte gekommen sei, sei auch Müller zugegen gewesen. Dieser gab solches nach anfänglichen Abstreiten ebenfalls zu. Auch ihn hatte Kuhl die Tat erzählt. Des Weiteren wurden eine Reihe Zeugen ermittelt, denen Kuhl ebenso den Vorgang vertraulich so, wie schon wiedergegeben mitgeteilt, und hierbei seine Täterschaft zugegeben hatte, so dem Dreher Paul Pillon, Beusselstraße 41 bei Kisselbach wohnhaft, dem Monteur Max Weitzner, Spandau, Feldstraße 54 und der Arbeiterin Linda Behring, Rostocker Straße 13 bei Friedrich wohnhaft.
Kuhl stammte, wie schon kurz erwähnt, was Lomnitz Kreis Meseritz, wo selbst sein Vater noch heutigen Tages Lehrer ist. Auch sein inzwischen gefallener Bruder war Lehrer. Er selbst sollte diesen Beruf ebenfalls ergreifen, kam jedoch auf der Präparandenanstalt nicht recht vorwärts, weshalb Herr Schlosser lernte und als solcher die Arbeit bei Siemens & Schuckert annahm. Bald geriet er aber auf die schiefe Ebene, bisher zuletzt lediglich nur noch von Einbrüchen lebte. Über seinen Aufenthalt nach der Tat war trotz der eingehenden Feststellungen mit Sicherheit nur das zu ermitteln, dass er am 6.3.1918 in Spandau war. Er hat dort den bereits genannten Zeugen Weitzner angesprochen und ihn gebeten, ihn seine Papiere zu verkaufen. Er wollte nach Essen fahren. Diese Absicht hat er offenbar auch ausgeführt, denn er ist am 7. März 1918 in Bottrop (bei Essen) bei den Eltern des Scharf gewesen. Seine Spur ging nunmehr zunächst völlig verloren. Es meldeten sich allerdings noch einige Zeugen, die Kuhl nachdem wieder gesehen haben wollten, doch ist anzunehmen, dass sich diese in der Person gehört hatten. Am 10. Juli des Jahres wurde der Kriminalpolizei-Sergeant Ilsen in Dortmund auf einem elektrischen Straßenbahnwagen bei der Festnahme eines Einbrechers, der Papiere auf den Namen Johann Mika bei sich führte, durch einen Schuss getötet. Dieser angebliche Mika schoss sich kurz nach der Tat, als ein Entweichen unmöglich schien, selbst eine Kugel in den Kopf und wurde in schwer verletzten Zustande in das städtische Krankenhaus in Dortmund eingeliefert.
Nach den Feststellungen ist Kuhl in Dortmund im März des Jahres scheinbar gegen Mitte aufgetaucht. Er wohnte bei verschiedenen Familien, war jedoch nie gemeldet, offensichtlich hat er in Dortmund lediglich von Einbrüchen gelebt, wobei er sich junge Leute, ähnlich wie in Berlin, bediente. Seine Freunde waren in Dortmund, insbesondere die Brüder Joseph und Mizislaus Krause, sowie der Arbeiter Kasimir Kasirowski. Mit diesen hatte er, wie angenommen werden muss, zweimal einen Einbruch in eine Zigarettenfabrik (Witte & Geck) verübt, zuletzt am 3.7.1918. Beim Fortschaffen der gestohlenen Ware wurden den drei- beziehungsweise 4 Tätern frühmorgens von den schon genannten Zeuginnen Geschwister Konetzny beobachtet. Mithilfe derselben gelang es am 10. Juli des Jahres, mit den Feststellungen betrauten Kriminalpolizei-Sergeanten llsen den einen Täter in der Person des angeblichen Mika (Kuhl) festzunehmen, wobei der Beamte aber erschossen wurde und der Täter sich selbst und entleibte. Kuhl hat ohne Zweifel in Dortmund noch viele andere Straftaten begangen, so konnte festgestellt werden, dass er auch wieder in Gemeinschaft mit den Gebrüdern Krause, schon am 19. März des Jahres einen Raubüberfall auf eine in der von Buchstraße 6 wohnhaft in Frau Petersmann beabsichtigt hatte, auch hatte er im Juni des Jahres nach Art eines Amokläufers in der Kirchdernerstr. mehrere Personen unter Vorzeigung eines Revolvers mit Erschießen bedroht.
05.05.1919
Der Antrag der Kriminalpolizei Dortmund, den Polizeisergeanten Ilsen und Wuttke sowie den Kriminalsergeanten Kohl, die in der Mordsache Kuhl ausgelobt gewesene Belohnung von 3000 M ganz oder doch zum größten Teil zuzubilligen, beruht auf einer gänzlichen Verkennung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Für Aufklärung der Mordserie war seiner Zeit, und zwar in Form von Zeitungsnotizen eine Belohnung von insgesamt 3000 M ausgelobt. Selbstverständlich waren von dieser ausgelobten Summe in erster Linie diejenigen Personen zu berücksichtigen, durch deren Angaben die Frage der Täterschaft überhaupt erst geklärt wurde. Erst in zweiter Linie konnten die Personen berücksichtigt werden, die zur Festnahme des Täters beitrugen beziehungsweise diese Festnahme bewirkten. Nachdem die Täterschaft des Kuhl einwandfrei festgestellt war, ist zum Zwecke seiner Festnahme unter anderem auch an den Säulen Groß-Berlins ein Bild des Gesuchten versehener Anschlag veröffentlicht worden. Eine beglaubigte Abschrift des betreffenden (in einem Exemplar bei den Mordakten Band 4 befindlichen) Plakates ist nachgeheftet. Es heißt darin ausdrücklich: von der bereits ausgelobten Belohnung von 3000 DM entfällt ein entsprechender Teilbetrag auf Personen, deren Angaben zur Festnahme des Kuhl führen. Die Verteilung behält sich das Polizeipräsidium unter Ausschluss des Rechtsweges vor. Aus dieser Form der Auslobung geht klipp und klar hervor, dass auf die Festnahme des Kuhl nur ein Teilbetrag der ganzen Belohnungssumme entfällt beziehungsweise entfallen konnte. Ebenso ist das Beschreiten des Rechtsweges ausdrücklich ausgeschlossen. Die von hier aus vorgenommene Verteilung der Summe ist daher eine endgültige, im Rechtsweg kann sie nicht angefochten werden. Aber auch aus tatsächlichen Gründen ist der Dortmunder Polizei zugedachte Betrag von insgesamt 800 M durchaus angemessen. Wie bereits in den Akten geführt, sind 1800 DM gezahlt an diejenige Person, deren Angaben zur Klärung der Frage der Täterschaft geführt haben. Von dem auf die Festnahme des Kuhl entfallenden Betrag von 1200 M ist ein Drittel = 400 M an die Geschwister Konieczny bereits gezahlt. Zwei Drittel = 800 M für die Beamten in Aussicht genommen. Die Dortmunder Beamten sind nicht nur nicht benachteiligt, sondern im Verhältnis des Anteiles berechtigen Dortmunder Zeugen eher zu hoch bedacht worden. Bemerkt sei hier, dass die Kriminalpolizei Dortmund den Vorwurf nicht erspart werden kann, durch Unterlassung der Aufnahme von Fotografien und Fingerabdrücken des damals unbekannten Toten die Feststellung seiner Persönlichkeit außerordentlich erschwert und verzögert zu haben. Erst durch langwierige vom unterzeichneten und dem Kriminalwachtmeister Bender vorgenommenen Feststellungen in Dortmund gelang es, den Nachweis der in die Identität des unbeerdigten Selbstmörders mit dem von hier aus gesuchten Kuhl zu erbringen. Irgendein Anlass, die von hier aus in Aussicht genommene Art der Verteilung abzuändern, liegt nicht vor. Es muss der Polizei Dortmund überlassen bleiben, den auf die dortigen Beamten entfallenden Betrag von 800 M zur Einholung des Einverständnisses der Beteiligten zu vertreten.
05.05.1919
Zum Schreiben des 28. März d.J. K.J. No 6119 (Betreffend Verteilung der auf die Ergreifung des Schutzmannmörders Erich Kuhl ausgesetzten Belohnung).
Die in dem dortigen Schreiben vertretene Auffassung, dass die ausgelobte Belohnung von 3000 M oder doch deren Hauptteil den Dortmunder Beamten gebühren, beruht auf falschen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Ausgelobt waren durch Notizen in der Tagespresse insgesamt 3000 M. Von dieser Summe waren naturgemäß in erster Linie diejenigen Personen zu berücksichtigen, durch deren Angaben die Frage der Täterschaft als solche geklärt wurde. Auf die Festnahme des Kuhl konnte nur ein entsprechender Teilbetrag entfallen. In einem am Die in dem dortigen Schreiben vertretene Auffassung, dass die ausgelobte Belohnung von 3000 M oder doch deren Hauptteil den Dortmunder Beamten gebühren, beruht auf falschen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Ausgelobt waren durch Notizen in der Tagespresse insgesamt 3000 M. Von dieser Summe waren naturgemäß in erster Linie diejenigen Personen zu berücksichtigen, durch deren Angaben die Frage der Täterschaft als solche geklärt wurde. Auf die Festnahme des Kuhl konnte nur ein entsprechender Teilbetrag entfallen. In einem am 11.3.1918 an den Anschlagsäulen Groß-Berlins veröffentlichen Säulenanschlag sind diese Richtlinien für die Verteilung der ausgelobten Summe ausdrücklich hervorgehoben. Eine beglaubigte Abschrift des Plakates, dessen Original sich bei den Mordakten befindet, liegt hierbei. Das Polizeipräsidium Berlin hat sich, wie ich ebenfalls aus der Anlage zu ersehen bitte, die Verteilung der Belohnung unter Ausschluss des Rechtsweges ausdrücklich vorbehalten. Eine Verfolgung der von den dortigen Beamten erhobenen Ansprüche im Wege des Zivilprozesses ist hiermit schon alleine aus rechtlichen Gründen unzulässig. Ich lege aber besonderen Wert auf die Feststellung, dass die von mir vorgenommene Art der Verteilung auch der tatsächlichen Lage nach jeder Richtung gerecht wird. Die Dortmunder Beamten sind nicht nur nicht benachteiligt, sondern im Verhältnis zu den Anteils berechtigen Dortmunder Zivilpersonen (2/3 zu 1/3) durchaus angemessen bedacht worden. Ihre Tätigkeit erkenne ich durchaus an, andererseits kann ich der dortigen Behörde den Vorwurf nicht ersparen, dass ich durch Unterlassung einer fotografischen und daktyloskopischen Aufnahme des damals unbekannten Schutzmannmörders die Feststellung seiner Persönlichkeit außerordentlich erschwert und verzögert hat. Bezugnehmend auf mein Schreiben vom 29. Januar stelle ich hiermit nochmals die Anfrage, mir über die Art der Verteilung der 800 DM unter den dortigen Beamten Vorschläge unter Beifügung von Einverständnis Erklärung der Beteiligten zu machen. Der Betrag würde alsdann dorthin überwiesen werden.
Pressestimmen
Berliner Tageblatt 05.03.1918
Ein Schutzmann von Einbrechern erschossen - für 150000 Mark Seide gestohlen
Raubzüge sind jetzt in Groß-Berlin an der Tagesordnung. Während aber die Zivilbevölkerung durch das Verbot des Oberkommandos, für die Dauer des Krieges Waffen zu tragen, der Möglichkeit eines Selbstschutzes beraubt ist, sind die Verbrecher zumeist mit ausgezeichneten Schusswaffen ausgerüstet, von denen sie gegebenenfalls skrupellos Gebrauch machen. Auch in der Nacht zu heute ist in Moabit eine Bluttat verübt worden. Da in der Wilsnacker Straße in der letzten Zeit häufig Einbrüche ausgeführt wurden, ohne dass es bisher gelungen ist, die Täter festzunehmen, wandten sich die Geschäftsleute der dortigen Gegend an das zuständige Polizeirevier 75 in der Rathenower Straße um Schutz. Von diesem wurde dem Schutzmann Heuser aus der Wilsnacker Straße gestattet, in seiner dienstfreien Zeit als Zivilperson gegen Entschädigung die Bewachung der Wilsnacker Straße zu übernehmen. Der Beamte sah nun gegen 2 Uhr mehrere verdächtige Personen, die im Begriff waren, in dem Hause Wilsnacker Straße 53 einen Einbruch auszuführen. Als die Einbrecher erkannten, dass sie von Heuser bei ihrer Arbeit gestört wurden, ergriffen sie die Flucht und liefen nach der Turmstraße dem kleinen Tiergarten zu. Der Beamte verfolgte sie. Gleich darauf hörte der Posten des 93. Infanterieregiments, die in der Gemeindeschule in der Turmstraße liegt, einen Schuss fallen und sah einen Mann die Bandelstraße hinunterlaufen. Der Posten benachrichtigte einen Wächter. Als dieser nachforschte, fand er Heuser vor dem Hause Turmstraße 13 mit einer Schusswunde in der linken Achselhöhle besinnungslos auf. Ein uniformierter Schutzmann brachte den schwerverletzten Kameraden, weil kein anderes Fuhrwerk zu haben war, mit der Straßenbahn nach dem Krankenhause Moabit. Hier starb Heuser gleich nach der Aufnahme, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Man glaubte zuerst, dass die von Heuser in der Wilsnacker Straße 52 überraschten Männer den Beamten getötet haben. Es ergab sich jedoch, dass diese zwei jungen Burschen, von einem Wächter überrascht und bereits festgenommen waren, als Heuser den tödlichen Schuss erhielt. Es ist daher anzunehmen, dass der Beamte an einer anderen Stelle auf Einbrecher gestoßen und von diesen niedergeschossen wurde. Aus der Art der Verletzung ist zu schließen, dass Heuser mit den Verbrechern in einen Kampf verwickelt wurde, da die Verwundung nur erfolgt sein kann, während der Beamte die Hand zu einer Abwehrbewegung erhoben hatte. Die Turmstraße war, nach Feststellung der Polizei, zu der erwähnten Stunde noch sehr belebt. Um so auffälliger ist es, dass der Täter unbemerkt entkommen ist. Auf eine Ergreifung sind 3000 Mark Belohnung ausgelegt worden. Die Untersuchung leitet der Kommissar Gennat.
Berliner Anzeiger 05.03.1918
Ein Schutzmann von Verbrechern erschossen
Schon wieder ist ein Beamter bei der Ausübung seiner Pflicht von Verbrechern niedergemacht worden, und auch dieses Vorkommnis ist ein Beispiel für die gegenwärtigen unbefriedigenden Sicherheitszustände in Berlin. Wir erhalten den folgenden Bericht: der Schutzmann Heuser vom 75. Revier in der Rathenaustraße ging gestern Abend in bürgerlicher Kleidung aus, um auf Einbrecher, die jedes Viertel seit einiger Zeit unsicher machen, besser fahnden zu können. Gegen 1:30 Uhr in der Nacht hörte ein Posten einer Abteilung des 93. Infanterieregiments, die in der Gemeindeschule in der Turmstraße liegt, einen Schuss fallen. Gleich darauf sah er einen Mann die Bandelstraße herunterlaufen. Der Posten benachrichtigte einen Wächter. Als dieser jetzt suchte, fand er Heuser vor dem Hause Turmstraße 13 mit einer Schusswunde in der Brust besinnungslos vorliegen. Ein uniformierter Schutzmann brachte den schwer verletzten Kameraden, weil kein Feuerwerk zu haben war, mit der Straßenbahn nach dem Krankenhaus in Moabit. Hier starb Heuser gleich nach der Aufnahme, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben. Man betrachtet das Verbrechen, dem er zum Opfer gefallen ist, in Verbindung mit einem Einbruch, der in der Nacht in der Wilsnacker Straße 52 in einem Geschäft verübt wurde. Es ergab sich jedoch, dass hier die Täter, zwei junge Burschen, von einem Wächter überrascht und bereits festgenommen worden waren, als Heuser den tödlichen Schuss erhielt. Man muss nun annehmen, dass der Beamte an einer anderen Stelle auf einen Einbrecher gestoßen und von diesen bei der Verfolgung niedergeschossen worden ist. Die Ermittlung nach diesem Verbrecher sind in vollem Gange, aber sehr erschwert, weil der erschossene Beamte keinerlei Angaben mehr machen konnte. Hoffentlich gelingt es den Behörden, durch entsprechende Maßregeln und Verschärfung des Sicherheitsbereiches, das Treiben der neuerdings immer gewalttätiger auftretenden Verbrechertum zum Schutze der Bürger einzudämmen.
Berliner Morgenpost 06.03.1918
Ein Schutzmann von einem Einbrecher niedergeschossen. 3000 M Belohnung
In der Nacht zu Dienstag wurde der Schutzmann Heuser vom 75. Polizeirevier in der Turmstraße in Moabit von einem Unbekannten durch einen Schuß in die linke Brustseite so schwer verletzt, daß er kurze Zeit darauf starb. Der Täter, ein noch unbekannter Einbrecher, ist entkommen. Auf seine Ergreifung hat das Polizeipräsidium eine Belohnung von 3000 Mark ausgesetzt. In der letzten Zeit wurden besonders in Moabit in der Wilsnacker Straße und deren Umgebung zahlreiche Geschäfts-einbrüche verübt. Um der dortigen Unsicherheit zu steuern, gehen nachts verschiedene Polizeibe-amte in Zivilkleidung durch die Straßen. In der Nacht zu gestern versah Heuser diesen Dienst. Gegen 1 Uhr 30 hörte der Posten eines in der Gemeindeschule in der Turmstraße untergebrachten Ersatzbataillons einen Schuß fallen. Gleich darauf sah er, daß ein mittelgroßer Mann mit hellem, weichem Filzhut von der Turmstraße her in die Bandelstraße einbog und eiligst verschwand. Ein Privatwächter fand wenige Minuten später vor dem Hause Turmstraße 13 einen Mann mit einer Schußwunde in der Brust besinnungslos auf. Im Moabiter Krankenhaus wurde dieser als der Schutzmann Heuser festgestellt, der gleich darauf ohne wieder zur Besinnung gekommen zu sein, starb. Kurze Zeit vor diesen Vorgängen war in der Wilsnacker Straße ein Einbruch versucht wurden, bei dem die Täter, zwei jugendliche Burschen, durch einen Privatwächter festgenommen worden waren. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß es sich in dem Mann, der den Schutzmann Heuser erschoß, um einen Komplizen der beiden handelte. Kriminalkommissar Gennat nimmt weitere Mitteilungen über die Angelegenheit im Polizeipräsidium entgegen.
Berliner Tageblatt 11.03.1918
Der Mord in der Turmstraße. Der Täter bekannt, aber flüchtig
Der Mord an dem Schutzmann Heuser, der, wie berichtet, am 5. März vor dem Hause Turmstraße 18 schwer verletzt aufgefunden wurde und im Krankenhaus Moabit starb, ohne die Besinnung wieder erlangt zu haben, ist nun aufgeklärt. Es wurde festgestellt, dass zwei Schüsse auf ihn abgefeuert worden waren. Eine Kugel hat, wie die Leichenöffnung ergab, den linken Oberarm, auch den Knochen durchbohrt, ist durch die Achselhöhle eingedrungen und hat die Lunge zerrissen. Die zweite Kugel wurde in der Kleidung des Heuser gefunden. Zeugen der Tat selbst konnten nicht ermittelt werden, wohl aber haben sich eine Reihe von Personen gemeldet, die die mutmaßlichen Täter flüchten sahen. Aufgrund dieser Mitteilung gelang es, drei Männer zu verhaften, die in einem Hause in der Wilsnacker Straße in Gesellschaft eines vierten einzubrechen versuchten, aber von Heusern vertrieben und verfolgt worden. Es sind dies der erst kürzlich aus der Lehre in entlassenen 17-jährige Bäckerlehrling Georg Scharf, der gleichaltrige Schlachterlehrling Max Müller und der 24 alte Albert Seltz aus der Wallstraße 6. Nach ihrem Geständnis soll der eigentliche Mörder ihr jetzt flüchtiger Begleiter, der 23 Jahre alte Schlosser Erich Kuhl sein. Hinter diesem hat die Polizei folgenden Steckbrief erfasst: 3000 DM Belohnung Mord an dem Schutzmann Heuser! Schlosser Erich Kuhl gesucht! Der Schlosser Erich Kuhl, 2. Juli 1995 in Domnitz Kreis Mesaritz, geboren, bis Ende vorigen Jahres Huttenstraße 65 wohnhaft gewesen, hat in der Nacht zum 5.3.1918 in der Turmstraße den Schutzmann Heuser erschossen. Cool ist bisher nicht ergriffen. Er hält sich offenbar hier irgendwo verborgen. Von Anfang dieses Jahres an nannte er sich Schlosser Erich Ebert, 2. Juli 1893 in Bredow bei Stettin geboren, und hat auch im Hause Rostocker Straße 52, unter diesen Namen gewohnt. Auch als Reinhold Bea, 16. September 1896 in Berlin geboren, und als Franke hat er sich fälschlicherweise bezeichnet. Verkehrt hat er namentlich in Schrankwirtschaften im Moabit, insbesondere in der Huttenstraße. Er ist etwa 168 cm groß, schlank, hat blasses Gesicht, tief liegende Augen und geht etwas gebückt. Bart und Kopfhaar, angeblich auch Augenbrauen, sind glatt rasiert. Er hat rechts oben einen Goldzahn und trägt meistens einen Kneifer. Zuletzt war er mit schwarzem, bis zum Knie reichenden Tuchpaletot, dunklem Jackett-Anzug mit Gürtel, unten umgeschlagenen Hosen und weichen Filz beziehungsweise Velourhut beleibt. Von der bereits ausgelobten Belohnung von 3000 DM entfällt ein entsprechender Teilbetrag auf Personen, deren Angaben zur Festnahme des Kuhl führen. Die Verteilung behält sich das Polizeipräsidium unter Ausschluss des Rechtsweges vor. Mitteilungen nimmt jede Polizei dienstliche Dienststelle sowie die Kriminalpolizei Berlin Kriminalhauptkommissar Gennat entgegen. Kuhl hat, wie die weiteren Erhebungen ergaben, eine Zeit lang in der deutschen Waffen und Munitionsfabrik gearbeitet und 180 -200 DM in der Woche verdient. Dann aber traf er sich mit den bereits verhafteten drei jungen Leuten auf Einbrüche. Sie trafen sich regelmäßig bei Selz und unternahmen von dort aus ihrer Raubzüge.
B.Z. 11.03.1918
Der Mörder des Schutzmanns Heuser
Die Bluttat an dem Schutzmann Heuser, der bei einem Patrouillengang in der Wilsnacker Straße in Moabit von Einbrechern erschossen wurde, ist jetzt aufgeklärt. Heuser befand sich in Zivilanzuge auf einem Überwachungsgange. Hierbei bemerkte er in der Wilsnacker Straße, drei verdächtige Burschen, mit denen er in ein Handgemenge geriet. Der Dritte hielt sich etwas abseits, zog plötzlich einen Revolver und schoss Heuser von hinten nieder. Daraufhin entliefen alle drei. Es gelang, die beiden, die Heuser untersucht hatte, festzunehmen, während der Dritte, der ihn niederschoss, entkommen ist. Es ist inzwischen festgestellt, dass es sich um einen gewissen Erich Kuhl handelt, der sich in den letzten Wochen unangemeldet in verschiedenen Quartieren in Moabit aufhielt. Die Kriminalpolizei ist mit den Ermittlungen nach festen Aufenthalt beschäftigt. Es ist eine Belohnung vom 3000 Mark ausgesetzt.
Tagesbericht 12.03.1918
Mord an dem Schutzmann Heuser! Schlosser Erich Kuhl gesucht!
Der oben abgebildete Schlosser Erich Kuhl, am 2. 7. 1895 zu Lomnitz, Kr. Meseritz geboren, bis Ende vorigen Jahres Huttenstr. 65 wohnhaft gewesen, hat in der Nacht zum 5. d. M. in der Turmstraße den Schutzmann Heuser erschossen. Kuhl ist bisher nicht ergriffen. Er hält sich offenbar hier irgendwo verborgen. Von Anfang dieses Jahres an nannte er sich Schlosser Erich Ebert, am 2. 7. 1893 zu Bredow bei Stettin geboren und hat auch unter diesem Namen im Hause Rostocker Straße 52 gewohnt. Auch als Reinhold Bea, am 6. 9. 1896 zu Berlin geboren, und als Franke hat er sich fälschlich bezeichnet. Verkehrt hat er namentlich in Schankwirtschaften in Moabit, insbesondere in der Huttenstraße. Er ist etwa 1,68 m groß, schlank, hat blasses Gesicht, tiefliegende Augen und geht etwas gebückt. Bart und Kopfhaar - angeblich auch Augenbrauen sind (anders als auf dem Bilde!) glatt rasiert. Er hat rechts oben einen Goldzahn und trägt meistens einen Kneifer. Zuletzt war er mit schwarzem bis zum Knie reichendem Tuchpaletot, dunklem Jackettanzug mit Gürtel, unten umgeschlagenen Hosen und weichem Filz- bzw. Velourhut bekleidet. Kuhl ist nicht mehr, wie abgebildet, Soldat. Von der bereits für Zivilpersonen ausgelobten Belohnung von 3000 Mark entfällt ein entsprechender Teilbetrag auf Personen, deren Angaben zur Festnahme des Kuhl führen. Auch Beamten wird für Festnahme des Gesuchten eine namhafte Belohnung zugesichert. Mitteilungen an Kriminalkommissar Gennat - Anruf 428 -, Zimmer 48, erbeten.
[1] Landesarchiv Berlin_A_Pr_Br_Rep_030-03_85
[2] Landesarchiv Berlin_A_Pr_Br_Rep_030-03_1247
Schlussbemerkung
Die Inhalte aus den Akten sind weitestgehend identisch übernommen worden und entsprechend so zu lesen. Nur in einigen Passagen wurden Sätze zur besseren Verständlichkeit angepasst. Einige Namen oder Sätze waren aufgrund des Alters kaum zu entziffern und wurden nach besten Wissen und Gewissen versucht zu rekonstruieren, wobei die Richtigkeit der Rekonstruktion nicht garantiert werden kann. Diverse Bilder aus den Ermittlungsakten wurden digital bearbeitet und verbessert, um den Delinquenten ein realistisches Bild zu verleihen.